Alena Buyx stellt in „Leben und Sterben“ die großen Fragen. Wann und wie darf die moderne Medizin vor, während und direkt nach der Lebensentstehung eingreifen? Wann ist sie vielleicht sogar moralisch dazu aufgefordert? Was bedeutet modernes Sterben? Wie kann es besser gelingen – und welche Vorsorgemaßnahmen sollten wir alle dafür treffen? Buyx stellt auch dar, wie ein gelingendes Ärzt*in-Patient*innen-Verhältnis unter aktuellen Bedingungen von Zeitknappheit möglicherweise besser gelingen kann. Zuletzt widmet sich sie dem Einsatz moderne KI und Algorithmen in der Medizin.
Shownotes
- ganz viele Rasierhobel in einer Übersicht (mr-razor.com)
- Film: „Konklave“ (deutsche Wikipedia)
- Buch: „Leben und Sterben“ von Alena Buyx (Verlagswebseite)
- Advance Care Planning (deutsche Wikipedia)
- zum Themenkomplex Sterbehilfe (Stiftung Warentest)
- Pressemitteilung vom Bundesverfassungsgericht: „Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig“ (Webseite des BVerfG)
Verweise
- Podcast: Freakonomics, Episode 40: The Suicide Paradox
- Buch: „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ von Bronnie Ware (Verlagswebseite)
- Film: „Gattaca“ (deutsche Wikipedia)
- Buch: „Der Tod meiner Mutter“ von Georg Diez (Verlagswebseite)
- Buch: „Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen“ von Norbert Elias (Verlagswebseite)
- Buch: „Die Pest“ von Albert Camus (Verlagswebseite)
- ZZD011: „Religion für Atheisten“ von Alain de Botton
- ZZD086: „Regeln“ von Lorraine Daston
- ZZD015: „Roboterethik“ von Janina Loh
Transkript
Music:
[0:00] Music
Holger:
[0:16] Herzlich willkommen zu unserer 91. Folge von Zwischen zwei Deckeln. Heute stellt Christoph uns ein Buch vor und ich bin Holger, um das ein bisschen zu moderieren.
Christoph:
[0:30] Hallo zusammen.
Holger:
[0:33] Genau. Wie geht’s dir?
Christoph:
[0:36] Mir geht es gut soweit. Ich habe 2018 auf einem Flohmarkt in Südfrankreich mir einen Rasierhobel von Gillette gekauft. Und ich wusste, der ist alt. Und ich habe irgendwann schon mal recherchiert und nicht rausgefunden, wie alt und welches Modell genau. Ich habe bei Gillette sehr viele unterschiedliche Rasierhobel hergestellt. Und es gibt erschreckenderweise eine große Online-Community, die sich damit beschäftigt. Und ich habe mich nochmal in die Recherche diesbezüglich gestürzt und habe es jetzt rausgefunden. Und genau, weiß jetzt, welches Modell ich habe. Es ist ein bisschen jünger, als ich dachte. Kommt aus den frühen 50ern, aber trotzdem habe ich mich jetzt sehr darüber gefreut, dass ich mich mit einem bald 70 Jahre alten Rasierhobel rasiere, nach allem, was ich weiß. Das fand ich irgendwie witzig darüber. Genau, das war so ein kleines Rabbit Hole die letzten Tage. Genau, so geht es mir gut und mit solchen Dingen beschäftige ich mich manchmal in meiner Freizeit. Wie ist die Lage bei dir?
Holger:
[1:40] Ich bin jetzt gerade verwirrt, ein Rasierhobel ist das das, wo man sich mit eincremt?
Christoph:
[1:47] Nee, das ist der Rasierpinsel. Der Rasierhobel ist der Vorläufer des modernen Systemrasierers mit Dreifachklingen und so. Aber in so einen Rasierhobel setzt du einfach eine Rasierklinge ein. Die sind genormt und haben auf jeder Seite eine Klinge. Viele kennen das noch von ihrem Großvater zum Beispiel. Ich werde euch was verlinken in den Shownotes.
Holger:
[2:15] Das ist ja spannend. Man lernt doch immer wieder was Neues.
Holger:
[2:21] Das stimmt. Ja, was beschäftigt mich? Also ich muss sagen, ich bin also nur zur Referenz. Wir nehmen hier jetzt.
Holger:
[2:31] Ende April 2025 auf, falls jemand das später mal hört. Und wir sind also so noch nicht mal eine woche nachdem der papst franziskus gestorben ist und das beschäftigt mich so ein bisschen auch einfach daraus was das so bedeutet an interner politik der kirche aber auch wie man da immer noch mal so ein bisschen merkt was für tradition und strukturen dahinter stecken und wie man kann jetzt da natürlich jede meinung zur katholischen küche haben die man haben möchte es ist aber auf jeden fall eine organisation die schon ziemlich lange bestand hat und irgendwie auch eine Kontinuität oder zumindest den Anschein einer Kontinuität, sehr gut vermittelt und auch immer wieder in ihren Prozessen, zeigt, dass sie so ein bisschen mit ihrer Tradition auch anders ist als so der Mainstream und das ist, ich bin mal gespannt ich finde das immer ganz spannend, wenn dann so die Konklave anfängt oder das Konklave, ich bin da selber nicht sicher, ich glaube das Konklave.
Christoph:
[3:52] Ich glaube auch das Konklave,
Holger:
[3:54] Ja Genau, also das ist bei mir so ein bisschen gerade im Kopf, also auch wenn ich mich damit gerade nicht super intensiv beschäftige, aber ich habe das in der Vergangenheit schon mal etwas intensiver getan und dann erkennt man natürlich immer wieder die Täter.
Christoph:
[4:12] Hast du den Film Konklave geguckt, der letztes Jahr ins Kino kam?
Holger:
[4:19] Nein, und ehrlich gesagt hatte ich den auch gar nicht so auf dem Schirm, bis er jetzt irgendwie erwähnt wurde, weil mal wieder ein Konklave ansteht. Also ich habe weder den Roman gelesen, noch den Film gesehen. Insofern ist vielleicht was, wo man mal gucken kann, ob der irgendwie irgendwo relativ einfach zur Verfügung steht. Das habe ich noch nicht gecheckt.
Christoph:
[4:46] Ich habe ihn im Kino gesehen und fand ihn wirklich gut. Also er ist ja jetzt keine Reportage und auch keine Dokumentation, deswegen weiß ich nicht, wie akkurat er ist, aber macht auf jeden Fall Freude, den zu gucken und man hat schon das Gefühl, mal nah an so einem Prozess dabei zu sein und wenn das halbwegs solide recherchiert ist, nimmt man inhaltlich halt auch nochmal ein bisschen was mit. Also zumindest das Thema der verschiedenen Richtungen in der katholischen Kirche und wer wird da wie repräsentiert und welche Allianzen gibt es und genau, nimmt man jetzt den italienischen konservativen Hardliner oder probiert man sich irgendwie weiter zu öffnen, das wird da schon spannend abgebildet. Also ich fand den Film lohnenswert und gut und habe mich gut unterhalten gefühlt und passt dann jetzt natürlich auch.
Holger:
[5:36] Ja, es ist natürlich so, dass offiziell man ja auch nicht wirklich viel aus dem Konklave wissen darf. Klar, ja. Ich habe aber zumindest in Bezug auf den Roman, hatte ein Journalist die Tage dann auch kommentiert, dass er mal mit einem Insider gesprochen hat, der meinte, das wäre nicht so schlecht. Also wäre jetzt keine so schlechte Abbildung von dem, was passiert, aber das offiziell darf da ja eigentlich nicht viel gesagt werden. Das ist ja auch Teil des Besonderen daran, dass es halt so einer der wenigen Räume ist, wo noch so etwas alte Regeln gelten sollen in der Praxis. Gibt es da Leute, die da irgendwas verkünden im Voraus. Also ich weiß noch, als Benedictic der 16. gewählt wurde, hat ein Bekannter von mir, zu der Zeit Theologiestudent gemeint, dass irgendwie in Bonn das Gerücht gab, dass die Glocken ein bisschen früher geläutet haben, als offiziell angekündigt wurde, dass der Papst gewählt wurde. Und ob da dann jemand in Bonner Münster da irgendeinen Draht hatte.
Holger:
[6:52] Weiß man natürlich alles nicht. Das ist jetzt auch sowas, was natürlich niemand jetzt überprüfen kann im Nachhinein. Aber ich glaube, was auf jeden Fall ist, dass es da diese politischen Richtungen gibt und dass da durchaus auch Konflikte stattfinden. Ich glaube, dass wenn man halbwegs informiert ist, dann ist es eigentlich klar.
Christoph:
[7:15] Ja, das auf jeden Fall, was wollte ich sagen? Ja, ach und solche Spekulationen machen ja auch, die bringen ja ein bisschen Freude ins Leben. Das ist ja irgendwie ganz interessant, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Holger:
[7:26] Ja, da fällt mir ein, ich weiß nicht, ob man das noch online gut findet. Es gab, als Johannes Paul II. gestorben ist von der Daily Show, so eine lustige Nummer, wo dann damals Stephen Colbert, der jetzt ja auch recht erfolgreich mit seiner eigenen Show ist, irgendwie mit Jon Stewart so eine Nummer macht und dann so die verschiedenen Kandidaten vorstellt und am Ende meint, ach ja, ist eigentlich egal, das wird eh Ratzinger. Und damit auch recht hatte. Genau, ist ganz amüsant, ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.
Christoph:
[7:58] Spannend, wobei ich die Tage habe ich gelesen, dass es wohl den Spruch eigentlich gibt, wer als Papst in das Konklave geht, geht als Kardinal wieder raus. Also, dass dieses große, jemand ist ein Favorit und der wird es auf jeden Fall historisch nicht so gut hingehauen hat. Aber ja, wir werden es sehen. Ich bin ganz gespannt. Ja, da kann natürlich auch jetzt viel konservativer Backlash passieren, der mich persönlich jetzt nicht so begeistern würde. Also es ist die Frage, gibt es vielleicht dann mal einen Papst aus konservativeren Weltregionen oder geht man wieder zurück nach Europa? Und also, ja, es ist auf jeden Fall ein spannendes Thema, das ja auch immer noch viele Menschen betrifft und ich meine, wir kennen das in Deutschland als mit vielen Austritten und so, aber das ist ja nicht repräsentativ für die ganze Welt.
Holger:
[8:51] Ja, und es ist natürlich auch immer die Frage, dieses simple Muster, konservativ, progressiv, das ist ja vielleicht dann auch ein bisschen zu schlicht.
Christoph:
[9:02] Ja.
Holger:
[9:03] Es kann ja durchaus sein, dass man Kandidaten hat, aus aus einem Entwicklungsland wieder und der dann in einigen Themen, sich einordnet auf eine Art, die wir eher als progressiv bezeichnen würden, vielleicht bei sozialen Fragen, wirtschaftlichen Fragen, vielleicht auch Umweltschutzfragen und der dann in anderen Fragen, gerade wenn es um um, ich sage jetzt mal ganz breit, Geschlechter Verhältnisse geht, eher auf der sehr konservativen Seite ist. Also dieses, da hatte ich jetzt die Tage auch nochmal drüber nachgedacht, jetzt über dieses Thema hinaus, dass dieses einfache Einteilen in, ja es gibt immer zwei Seiten und es gibt progressiv, konservativ, das ist natürlich auch viel zu einfach. Also selbst bei mir selber, ich habe Themen, also insgesamt würde ich mich schon als ganz klar progressiv entscheiden, aber es gibt auch so ein, zwei Themen, wo ich merke, dass ich in meiner Meinung vielleicht auch eher etwas konservativ bin. Also und ich glaube, das ist ja bei den meisten Menschen so und dann muss man sich das im Einzelnen angucken, was dann passieren wird.
Christoph:
[10:16] Ja, wir dürfen gespannt sein. Bei der nächsten Folge ist es vermutlich schon geklärt. Ja, vermutlich schon, könnte zumindest.
Holger:
[10:25] Ja, hängt ein bisschen davon ab, wie lange sie brauchen mit der Wahl. Das gab es in der Geschichte, das war jetzt auch in einem Podcast, das ich gehört habe, die längste das längste konklave hat wohl ich glaube noch 1000 tage und wie sowas um den dreh also deutlich über zwei jahre gedauert wo.
Christoph:
[10:49] Das ist also
Holger:
[10:50] Deswegen gab es dann ja irgendwie auch die tradition dass die eingemauert werden um das ein bisschen zu verkürzen und den druck zu erhöhen weil es dann irgendwann auch unangenehm für die Kardinale geworden ist. Wobei sie jetzt ja irgendwie doch wieder etwas angenehmere Bedingungen haben. Aber wer weiß. Aber ich denke, wir richten uns dann mal auf, oder unsere Aufmerksamkeit mal auf das Buch, das du uns vorstellen möchtest. Und zwar ist das Leben und Sterben von Alena Büx. Also Alena Büchs ist Professionin für Medizinethik Sie ist Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der TU München Sie ist auch die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Und ich glaube, wer so ein bisschen Talkshows in der Corona-Zeit verfolgt hat Wird sie da vielleicht auch mal gesehen haben Also ich weiß, dass ich sie da irgendwie auf jeden Fall mehr als einmal gesehen habe, Also das Buch ist erschienen beim S. Fischer Verlag und zwar dieses Jahr, ist also ganz frisch.
Holger:
[12:05] Und genau, ich freue mich auf die Vorstellung. Ich hatte das, bevor wir aufgenommen haben, schon gesagt, das hatte ich die Tage mal im Buchladen gesehen und überlegt, ob das was wäre, was man mal kaufen könnte. Insofern ist jetzt natürlich bei mir offene Türen eingerannt, dass ich das vorgestellt bekomme. Genau, ich bin also gespannt.
Christoph:
[12:33] Sehr gut. Ja, ich kenne Alena Büx, ich kannte die nicht, weil ich extrem wenig Talkshows gucke. Von daher hat sie mir nichts gesagt. Aber ja, ich starte mal mit der Zusammenfassung. Alena Büx stellt in Leben und Sterben die großen Fragen. Wann und wie darf die moderne Medizin vor, während und direkt nach der Lebensentstehung eingreifen? Wann ist sie vielleicht sogar moralisch dazu aufgefordert? Was bedeutet modernes Sterben? Wie kann es besser gelingen und welche Vorsorgemaßnahmen sollten wir alle dafür treffen? Büx stellt auch klar, wie ein gelingendes Ärzt-Innen-Patient-Innen-Verhältnis unter aktuellen Bedingungen von Zeitknappheit möglicherweise besser gelingen kann. Zuletzt widmet sie sich dem Einsatz von moderner KI und Algorithmen in der Medizin.
Christoph:
[13:23] Also du merkst, es sind wirklich die großen Fragen.
Christoph:
[13:30] Dadurch, dass sie Professorin ist und aus der Medizin kommt, hat sie viele Fallbeispiele an der Hand und damit garniert sie das Buch. Das macht es, finde ich, einfach zu lesen, vielleicht einfach. Also falls ihr da draußen das euch selbst aneignen wollt, ich würde sagen, wenn ihr keine absoluten Berührungsängste von den Themen, also mit den Themen habt, dann kann man das auf jeden Fall gut machen. Und sie hat vier Kapitel, also das erste, da beschäftigt sie sich mit, das ist überschrieben mit Leben, dann das zweite ist Sterben und das dritte widmet sich dann eben, wie gesagt, dem ganzen Thema Arzt, Ärztin, Patient in Verhältnis und wie das aussehen kann vor moderner Realität im Medizinsystem, die wir alle kennen. Und dann am Ende geht es in meinen Augen um eben moderne Techniken, Algorithmen, KI. Das sind so die vier Sachen. Und sie startet in das Buch damit, dass sie erstmal sagt, woran sich Medizinethik heute eigentlich orientiert als Fach. Also oder was eine Rolle spielen soll in Behandlung von PatientInnen. Es sind vier Prinzipien. Zum einen ist das das Prinzip des Respekts vor Selbstbestimmung von PatientInnen. Das ist ihr immer wieder ganz wichtig und das hat sich sicherlich auch ein Stück weit gewandelt, weil wir früher hatten wir es mit Halbgöttern und Halbgötterinnen zu tun. Ich weiß nicht, wie man das vernünftig gendert.
Holger:
[15:00] Halbgöttinnen.
Christoph:
[15:00] Halbgöttinnen, so, ja, genau. Und das ist halt ein bisschen vorbei, da ist ein bisschen mehr Symmetrie, Augenhöhe eingekehrt. Und dann gibt es das Prinzip des Nichtschadens. Da geht es dann darum, dass die Behandlungen, die man durchführt, nicht mehr Schaden anrichten sollen, als sie Nutzen bringen und dass man auf jeden Fall unerwünschte, also oder Nebenwirkungen und dann, die sind dann eben unerwünscht, dass man die auf jeden Fall im Blick hat bei den Behandlungen, die man durchführt. Und genau, Prinzip der Fürsorge und des Wohltuens ist das dritte, das ist, glaube ich, auch klar. Und genau, das Prinzip der Gerechtigkeit, das war mir nicht so klar, da geht es vor allen Dingen um die Ressourcenverteilung, also wie viel wendet man für einen Patienten, eine Patientin auf und inwiefern führt das dann zu einer Ressourcenknappheit bei anderen Menschen, die man zu behandeln hat. Also dass man da durchaus in Abwägungsprozessen ist. Genau.
Holger:
[16:03] Ja, und ich glaube gerade dieser letzte Punkt mit der Gerechtigkeit ist ja auch eigentlich der entscheidende Punkt gewesen in der ganzen Diskussion der Corona-Zeit.
Christoph:
[16:14] Oh ja, absolut.
Holger:
[16:15] Da gab es ja auch dieses Missverständnis, dass man gesagt hat, die Angst ist, dass so viele Menschen sterben. Also die war natürlich auch da. Aber gar nicht nur wegen dem Virus selber, sondern auch, weil Viruserkrankte dann Plätze für andere blockieren. Und dann hätte es halt sein können, also das war ein Grund für die ganzen Lockdowns, dass man halt verhindern wollte, dass die Krankenhäuser so überlastet sind. Sind, dass man dann vor diesen harten Entscheidungen steht, wen behandelt man und wen nicht.
Christoph:
[16:50] Ja, finde ich einen wichtigen Punkt. Was sollte ich dazu sagen? Ja, wir hatten es dann ja auch ganz häufig damit zu tun, dass es auch so Personalknappheiten einfach gab, also es jemanden, der sie bestellen konnte, solche Sachen ja auch.
Holger:
[17:09] Naja, also man muss da, denke ich, einfach vielleicht einfacher sagen, die Betreuung, also wie viele Patienten können sinnvoll betreut werden. Und unter dem Gesichtspunkt ist es ja dann auch immer wieder eine Frage, wenn im Gesundheitswesen zusammengekürzt werden soll. Also wenn ich mich recht erinnere, gab es irgendwo mal die Aussage in der Corona-Zeit, dass wir eigentlich Glück hatten, dass wir nicht so viel das Gesundheitssystem zusammengekürzt haben, wie es manche Leute in der Vergangenheit wollten, weil wir dann noch wesentlich knapper mit den verfügbaren Kapazitäten gewesen wären. Das ist jetzt aber, ich weiß nicht mehr genau, wo es war und wie vertrauenswürdig, aber ich habe da irgendwie sowas im Hinterkopf, dass mir das irgendwo mal begegnet ist.
Christoph:
[17:58] Genau, ich lasse das einfach so stehen und springe zurück ins Buch. Am Anfang startet sie mit einem Fallbeispiel von Zwillingen, die als Frühgeburten auf die Welt kommen und das eine Kind entwickelt sich ziemlich gut und das andere hat Hirnblutung. Und genau, es ist ein bisschen die Frage, wie sich dieses Kind entwickeln wird und welche Rechte hat dieses sehr junge Leben. Und die Eltern sehen ihr Kind mit irgendwie Schläuchen und Reanimation und Hirnblutung und entscheiden irgendwann oder möchten entscheiden, dass ihr Kind nicht mehr weiter am Leben erhalten wird. Und die Behandlung der Ärztinenschaft ist aber absolut dagegen und sagt, naja, für dieses Kind ist es weiterhin das einzige Leben, das es hat und die Chancen, dass es überlebt, sind eigentlich ziemlich gut. Und ob es eine leichte geistige Beeinträchtigung hat oder nicht, ja, kann sein, muss aber nicht.
Christoph:
[19:08] Kann sich eigentlich auch noch ganz, also relativ normal entwickeln. Und ja, Da macht sie eben dieses Spannungsfeld auf, dieses Thema der Selbstbestimmung, gerade am Anfang bei sehr jungen Menschen. Wer entscheidet darüber? Weil natürlich sind die Eltern irgendwie relevante Bezugspersonen, aber sie dürfen nicht alleine einfach, also sie dürfen bei vielen Dingen alleine entscheiden, aber da eben nicht, weil man eine Annahme darüber treffen muss, was dieses Kind wollen würde. Und die Ärztinnschaft hat da offensichtlich auch überlegt, als die Eltern nicht nachgeben wollten, ob man nicht probiert, den Eltern das Sorgerecht zumindest temporär zu entziehen, um es weiter behandeln zu können.
Christoph:
[19:50] Ja, damit startet das Buch, das ist schon irgendwie ganz spannend und am Ende stellt sich dann raus, genau, in vielen Gesprächen und in viel Kontakt konnte man die Eltern dann offensichtlich überzeugen, muss man in dem Fall einfach sagen, dass man sich weiter um dieses Kind kümmert, es nicht versterben lässt und dann konnte man gemeinsam entscheiden, ohne Sorgerechtsentzug, dass dieses Kind überlebt und es scheint sie auch gut entwickelt zu haben, aber genau, sie macht da eben auf, wie schwierig das gerade am Anfang ist, wenn man auf der einen Seite Ärztinnen hat, dann eine noch nicht mündige Person, die wirklich auch noch gar nicht sich irgendwie mitteilen kann und deren Prognose man annehmen muss und ja, Eltern, die das eine oder das andere wollen können, das kann sicherlich auch in die andere Richtung kippen, dass man vielleicht sagt, dieses Kind ist so schwer krank, alles was wir hier jetzt weiter behandeln, führt zu noch mehr Leid und bringt möglicherweise keine Linderung. Und die Eltern würden dann nicht wollen, dass dieses Kind, würden unbedingt wollen, dass das Kind weiter behandelt wird und wie schwierig da so Kompromissfindungen sind. Das ist so ihr erster Punkt.
Christoph:
[21:07] Und das, worum es natürlich dann geht, ist die Frage von, ja, was ist eigentlich ein lebenswertes Leben und wer kann das entscheiden? Ja, so startet das Buch. Also es ist auf jeden Fall ein steiler Einstieg und auch ohne Lösung in dem Sinne. Also ich glaube, viel von Büx, also Büx geht, glaube ich, viel darum, dass man sich einfach mal mit zentralen Fragen auseinandersetzt, um da ins Denken zu kommen, was ich erstmal sehr sympathisch finde.
Holger:
[21:36] Naja, und es ist ja auch es sind ja auch immer die Fragen, die eben nicht so klar sind wo dann die Diskussion kommt also ich denke, Dinge, die eigentlich vollkommen klar sind, erfordern halt auch einfach keine Diskussion Ja, ja und das ist natürlich immer so ein bisschen das Problem mit der Innenansicht, die man halt einfach nicht haben kann, also des Anderen, Und gerade wenn sich jemand noch nicht mal äußern kann, also es ist ja teilweise unter manchen Umständen, selbst wenn jemand sich äußern kann, die Frage, wie sicher man diese Aussage dann sehen kann. Das ist ja auch, ich glaube, bei vielen Sterbehilfedebatten immer wieder ein Thema, wo gesagt wird, wissen wir denn, ob die Person das wirklich will oder nur nicht zur Last fallen will oder Ähnliches. Und die können sich ja sogar äußern.
Christoph:
[22:36] Was da natürlich dann auch eine Rolle spielt, oder was ich da nochmal wichtig hervorzuheben finde in diesem Fallbeispiel, ist eben, man hat dieses schwerkranke Kind und dann kann man natürlich, also die Eltern sehen, das Kind leiden am Anfang und möchten das nicht, das finde ich erstmal nachvollziehbar und die Eltern haben ihren Standard davon, was offensichtlich ein lebenswertes Leben ist. Und entscheiden dann, wenn dieses Kind mit einer geistigen Behinderung groß werden würde, das würde nicht unserem Standard unbedingt entsprechen oder wie auch immer.
Christoph:
[23:06] Und das, was Bücks stark macht, es geht aber nicht darum, was die Eltern wollen, weil man quasi einfach den Interessenstandpunkt dieses Kindes einnehmen muss und sich überlegen muss, was würde dieses Kind wohl wollen. Und da es nun mal nur dieses eine Leben hat nach allem, was wir gesichert wissen, ist eben das in den Blick zu nehmen und auch nicht die Betreuungslasten der Eltern oder so später, sollte es da welche geben, das darf alles keine Rolle spielen, weil es um diesen einen Patienten gehen muss, den man da in den Blick nimmt, das fand ich nochmal wichtig, dass man nicht darauf achtet, was macht denn, wie ist das Umfeld belastet und sonst wie, sondern welche gesellschaftlichen Herausforderungen in Form von sonderpädagogischer Förderung oder was auch immer man sich vorstellen könnte, kommen da auf uns zu, sondern es geht darum, was könnte oder sollte oder würde dieser Mensch wollen. Und ja, naja, das geht auf jeden Fall gut aus, aber so, dann habt ihr eine Vorstellung davon, wie dieses Buch strukturiert ist. Mit solchen Fallbeispielen wird da immer wieder gearbeitet.
Holger:
[24:09] Dann kommt mir jetzt so eine etwas abstraktere Frage. Nimmt sie denn einen Standpunkt ein, also so wie du es jetzt beschreibst, klingt es so, dass sie doch eher… Also ihr Ethikansatz eher als einzelne Individuum zielt.
Christoph:
[24:25] Ja, absolut.
Holger:
[24:26] Weil es gibt ja auch das Gegenmodell, wenn ich das jetzt richtig ausspreche, der utilitaristische Ansatz, der dann sagen würde, man guckt ja eigentlich in dem auf die Gruppe und versucht es für die Gruppe nach irgendwelchen Maßstäben optimal rauszuholen. Und da würde man natürlich schon in Betracht ziehen, was für ein Aufwand ist das und wäre das sozusagen das, was an Leben und Lebensqualität für das Kind erreichbar wäre, ist das den Aufwand wert. Also ich persönlich würde jetzt auch zum individualistischen Ansatz neigen, aber es ist vielleicht doch auch ganz gut zu wissen, dass es den anderen gibt.
Christoph:
[25:15] Ja, ich glaube, der macht in der Medizinethik einfach begrenzt viel Sinn, weil dann kannst du fast jede Behandlung abschreiben. Also gerade, wenn es nicht ist, ja, ich habe mir den Knöchel verstaucht, sondern du kommst da, also es geht dann um schwere Erkrankungen, dann kannst du das einfach lassen. Also dann, ich glaube, deswegen kommt er hier einfach nicht so explizit vor. Sie thematisiert häufig die Gegenposition, die es zu ihrer Haltung gibt, aber genau das, ich glaube, an der Stelle macht es für sie, glaube ich, nicht so viel Sinn, das zu skizzieren.
Christoph:
[25:52] Ja, genau, mit Blick auf die Zeit spricht sie als nächstes über künstliche Befruchtung und Präimplantationsdiagnostik. Ich weiß noch, dass das bei mir auf jeden Fall in der Schulzeit schon irgendwie ein großes Thema war.
Christoph:
[26:07] Und genau, sie führt dann erstmal auf, welche Argumente es gegen künstliche Befruchtung gibt. Also IVF ist die, glaube ich, die künstliche, die gängige Abkürzung in Vitro-Fertilisation.
Christoph:
[26:24] Also erstmal gibt es Menschen, die Fortpflanzung nicht als Teil privater Lebensführung verstehen wollen und deswegen, also die passiert halt, wenn überhaupt natürlich und ist im Zweifel durch Natur, Gott, wen auch immer vorgegeben und deswegen, ja, könnte man dagegen sein, weil wenn es dann nicht funktioniert, dann funktioniert es halt nicht. Und das sind halt eben häufig religiöse Gründe und die lehnt sie ab, weil sie sagt, naja, religiöse Argumente mögen ja für die persönliche Lebensführung spannend sein, aber erstmal sind das partikulare ethische Argumente und deswegen dürfen sie in so einer allgemeinen Betrachtung keine Rolle spielen. Wenn man für sich persönlich künstliche Befruchtung aus religiösen Gründen ablehnt, ist das ja das eine. Wenn man das aber für andere zum Standard erhebt, dann funktioniert das irgendwie nicht. Und sie sagt, diese Natürlichkeitsargumente machen irgendwie begrenzt viel Sinn, weil wo fängt man an, wo hört man auf? Also, keine Ahnung, dürfen wir dann kein Insulin mehr verabreichen, weil das so künstlich ist? Und wie ist es mit der Unfallchirurgie? Dürfen wir die dann auch nicht mehr haben? Was ist mit der Krebsbehandlung? Das sind ja auch alles künstliche Eingriffe, deswegen macht das für sie nicht so richtig viel Sinn.
Christoph:
[27:45] Da zu sagen, deswegen sollte man das ablehnen und genau, dann sagt sie, gibt es noch das sogenannte Slippery Slope Argument, beziehungsweise das Argument der schiefen Ebene, wobei es darum geht, dass wenn man in vitro Fertilisation zulässt und sie ist ja zugelassen, das muss man vielleicht auch einmal dazu sagen, dass man dann von, dass man gleich in so ein Rutschen kommt. Also von der einen Technologie zur nächsten Technologie und am Ende sind dann die viel beschworenen Designer-Babys und sie meint, naja, das ist irgendwie ein schwaches Argument. Also erstmal basiert es auf der Annahme, dass medizinisch-gesellschaftliche Entwicklungen meist negativ sind und sie meint, das können wir einfach historisch so nicht nachzeichnen. Zum anderen ist es mega spekulativ. Also wir wissen das einfach nicht. Und genau, also wir haben schon auch historisch gesehen, dass medizinische Entwicklungen gestoppt werden können. Also keine Ahnung, Kokain und Heroin als Stärkungsmittel haben wir auch wieder gelassen. Problematische Eingriffe in der Psychochirurgie, keine Ahnung, ich schätze sie später auf Dobotomin an, haben wir auch wieder gelassen. Oder Elektroschocktherapien, qualvolle. Also sie meint, naja, diese Automatismen gibt es historisch einfach nicht. Genau. Und ja, das finde ich erstmal irgendwie ganz, ganz gut.
Holger:
[29:08] Ja, ich finde das schlüssig. Ich habe, also ich glaube, dass sie vielleicht den religiösen Punkt etwas unterkomplex dargestellt hat. Ich habe… Ich habe irgendwie auch hier wieder im Hinterkopf, dass ein Kritikpunkt auch ist, also auch aus religiösen Kreisen, dass bei einer künstlichen Befruchtung mehr als ein Embryo erzeugt wird in der Regel und dann wird halt ausgewählt, welcher davon eingepflanzt wird, also der mit der höchstens Überlebenschance. Und wenn man das jetzt sehr extrem betrachten will, wenn man jetzt die Sicht hat, dass Leben mit der Befruchtung anfängt, dann würde man natürlich dann auch Leben schaffen, das entweder irgendwie eingefroren wird oder vernichtet wird. In dem Fall, dann ist man bei einer ähnlichen Argumentation wie einer Abtreibungsdiskussion, wo es aus meiner Beobachtung auch sehr stark davon abhängt, ob man jetzt glaubt, dass es sowas wie eine menschliche Seele gibt und in welchem Moment die menschliche Seele in den Körper kommt. Und wenn man halt sagt, mit der Befuchtung passiert das, ist man eher gegen Abtreibung. Und hier hätte man eigentlich eine ähnliche Problematik. Also müsste jemand, der aus diesem Argument gegen Abtreibung ist, dann auch zumindest ein prinzipielles Problem mit künstlicher Befuchtung haben.
Christoph:
[30:34] Ja, ich glaube, das ist noch nicht unbedingt bei künstlicher Befruchtung so, aber, und das sagt sie, das ist die Kernfrage des Ganzen, was sie erfasst, mindestens bei Präimplantationsdiagnostik ist das eben so. Da hast du dann mehrere Embryonen und davon, da guckst du dann halt entsprechend drauf, welche, wenn du nach zum Beispiel genetischen Prädispositionen guckst für Krankheiten, dann schaust du da eben drauf. Und dann ist eben die Frage, wann beginnt eigentlich das menschliche Leben und welcher Zustand hat welche moralischen Rechte. So, genau. Und ja, dass die befruchtete Eizelle der Beginn des menschlichen Lebens ist, das ist soweit Konsens, aber umstritten ist eben die Frage danach, ab wann der volle moralische Status und die vollen Schutzrechte eintreten. Und da gibt es eben schon die Position, die du skizziert hast. Der Embryo hat von der Befruchtung an die vollen Schutzansprüche. Und genau das Argument ist, dass es die potenzielle Fähigkeit gibt, sich zu einem vollständigen Menschen zu entwickeln. Ja.
Holger:
[31:50] Oder wie gesagt, in religiösen Kontexten dann in die Frage, wann kommt die Seele in den Körper. Und die wird auch nicht von jeder Religion gleich geantwortet. Nebenbei auch im Christentum gab es da auch Änderungen der Vorstellungen. Also lange Zeit hat auch die katholische Kirche, die, ich glaube, das geht auf Aristoteles, die Meinung vertreten, dass das, ich glaube, nach 90 Tagen die Seele in den Körper kommt.
Christoph:
[32:17] Ja.
Holger:
[32:17] Also dann nochmal unterschieden irgendwie bei Männern, ich glaube bei männlichen Kindern nach 90 und bei weiblichen irgendwie nach 180, also das ist auch wieder so eine Frage. Aber gut, das alte Giechenland war in vieler Hinsicht fortschrittlich, aber in der Hinsicht nun wohl nicht. Ja, ja, ja. Und erst mit, das hat mir auch mal ein bekannter Theologe erzählt, dass erst mit dem Dogma, dass Maria schon unbefleckt geboren wurde, dann irgendein Papst gesagt hat, naja, das kann ja gar nicht sein, dass deren Seele dann nicht schon von Befruchtung an nimmt. Da war irgendwie. Und erst dann wurde das geändert.
Christoph:
[32:59] Ja. Das ist spannend. Also das mit dem Seele-Ding mit 90 und 180 Tagen finde ich weht.
Holger:
[33:09] Ja, aber das sind halt so Sachen, auch da können sich Meinungen ändern. Und hätte jetzt jemand, der sagt, die Seele kommt halt erst, ich glaube, es gibt auch Religionen, die dann sagen, es kommt halt erst mit der Geburt in den Körper. und in den kontexten ist abtreibung halt auch wenig diskussionsthema.
Christoph:
[33:29] Was natürlich noch ein wichtiger Zeitpunkt ist, ist die Nidation, also die Einnistung der Eizelle und die erfolgt auch bei der PID erst zwischen dem 10. und 14. Tag nach Befruchtung. Genau, also das ist noch so ein weiterer Punkt. Und durchgesetzt haben sich natürlich irgendwie, zumindest hier bei uns, so gradualistische, also so Mittelpositionen. Also der moralische Status eines Embryos nimmt mit seiner Entwicklung zu, hat von Anfang an eine gewisse Schutzwürdigkeit, aber entwickelt sich erst zum Menschen nach eben der Nidation. Und in Deutschland hat sich dann zur Präimplantationsdiagnostik auch diese gradualistische Position etabliert. Also unter sehr eng gesetzten Bedingungen ist sie erlaubt.
Christoph:
[34:18] Dazu gehört aber immer auf eine Ethikkommission, die jeden Fall individuell bewertet. Und das führt bei ihr dazu, dass sie sagt, okay, also man darf das dann nur zur Vermeidung von schwerwiegenden Erkrankungen, was auch immer das dann jetzt genau meint. In dem Beispiel ist, glaube ich, ein Fall von diesem Angelina Jolie-Gen wird es genannt, also einer genetischen Prädisposition für eine Form von Brustkrebs. Und da wurde es, glaube ich, nicht zugelassen, obwohl Eltern das haben wollten, weil dann gesagt wurde, naja, also die Chance, dass das Kind diese Mutation bekommt, liegt nur bei 50 Prozent, weil beide Eltern haben einen Anteil und selbst mit der Mutation ist es keine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit, dass der Brustkrebs entsteht. Und ja, Brustkrebs ist schlimm, aber nicht schwerwiegend genug. Und die Chancen, dass es tatsächlich eintritt, sind auch nicht hoch genug, als dass man dann so eine PID da genehmigt hat. Das fand ich spannend. Genauso schwerwiegende Erkrankungen, Tod und Fehlgeburten.
Christoph:
[35:23] Genau und ja, sie sagt auf jeden Fall, so ein Dammbruch-Szenario gibt es bisher auf jeden Fall nicht, weil wir halt so einen hohen Verfahrensaufwand haben und damit kommt sie, das fand ich erstmal, fand ich das ganz gut, weil dieses Dammbruch-Argument, merke ich, habe ich auch im Kopf, dieses, wenn wir damit erstmal anfangen und das zulassen, dann kommt doch bestimmt ganz schnell, kommen wir zu so Selektionsverfahren und so weiter. Und das bricht sich dann bestimmt Bahn und in 20 Jahren sieht die Welt ganz, ganz anders aus als heute und sie sagt, naja, empirisch können wir das bis jetzt einfach noch nicht nachweisen und das fand ich irgendwie eine angenehme Position. Ja, und das ist das erste Kapitel, würde ich sagen.
Holger:
[36:06] Ja, ich glaube, generell ist es ja auch wahnsinnig schwer, vorher zu sagen, wie sich die Zukunft entwickelt.
Christoph:
[36:14] Ja, ja, das mit der Zukunft ist notorisch schwierig, das stimmt.
Holger:
[36:18] Da sind ja, wie war das, so Leute, die ja professionell die Zukunft vorhersagen, die liegen oft nicht so richtig. Witzigerweise sind Science-Fiction-Autoren, also haben immer mal wieder ganz gute Treffer. Also jetzt nicht von dem ganz Konkreten, aber so von den Ideen her.
Christoph:
[36:39] Die Frage, wie sehr sich die Zukunft an der Vergangenheit orientiert und ob nicht ein paar interessante Ideen dazu, technischen Durchbrüchen, Innovationen und so weiter in der Vergangenheit liegen könnten.
Holger:
[36:51] Ja, das ist das schöne iPad-Beispiel. Da gibt es irgendwelche alten Folgen von Star Trek Next Generation, wo sowas vorkommt. Und dann ist halt die Frage, wie sehr die Entwickler durch die Fernsehserie inspiriert waren. Ich glaube, das hat dann eine Rolle gespielt, als es da irgendeinen Patentstreit gab, wegen der Form, ob dann jeder Apple Geld zahlen muss und dann war ein Argument der Gegenseite, dass es das ja schon, diese alten Fernsehserien hier sowas gab und dass es deswegen die Idee ja eigentlich… Gar nicht so innovativ und damit patentwürdig wäre. Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, wie der Prozess ausgegangen ist.
Christoph:
[37:32] Also nach dem ersten Kapitel zum Thema Sterben geht es dann weiter. Nein, das erste war zum Thema Leben, das zweite ist zum Thema Sterben. Und da startet sie mit dem allseits bekannten Wunsch, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich wünscht, friedlich im eigenen Bett irgendwann einzuschlafen und nicht wieder aufzuwachen. Und dann der harten Realität, dass mindestens über 70 Prozent der Menschen in medizinischen Einrichtungen sterben und die Tendenz ist steigend. Und da ist ein bisschen die Frage, wie geht man damit um, wenn das Sterben nicht den Vorstellungen und Wünschen der sterbenden Menschen entspricht? Das ist ja irgendwie doof.
Christoph:
[38:11] Ja, man muss einfach sagen, seit den 1960er Jahren hat sich der medizinische Fortschritt beim Sterben dramatisch verändert, also Dinge wie Wiederbelebung sind deutlich besser geworden, künstliche Beatmung, das sind alles noch, also naja, die 1960er Jahre sind in meinem Kopf nicht so lange her, aber sie sind es mittlerweile ja schon doch auch, aber sie sind zumindest nicht so ultra alt, in zumindest guter Qualität. Und ja, wenn früher Sterbenteil des Familienlebens war und meist zu Hause stattfand, ist das halt heute im medizinischen System. Und ja, wir können auch eine gewisse Wertverschiebung sehen. Also früher war ein bisschen die Idee, dass halt Gott darüber entscheidet, wann er dich zu sich holt. Und heute haben wir halt den Prozess hin zu mehr Selbstbestimmung. Und ja, sie macht dann zwei Fallbeispiele auf. Das ist einmal ein Herr, der mit fortgeschrittener chronischer Lungenerkrankung ins Krankenhaus kommt. Und er hat keine Patientenverfügung, keine Vorsorge vollmacht. Keine Angehörigen sind direkt erreichbar und er wird wiederholt wiederbelebt.
Christoph:
[39:14] Obwohl er eine schlechte Prognose hat. Und ja, die Pflegekräfte äußern so ein bisschen das Bauchgefühl, dass der möglicherweise eine andere Behandlung sich gewünscht hätte. Aber wenn man es nicht weiß, dann ist man natürlich dazu angehalten, die Person, solange es geht, am Leben zu erhalten und auch immer wieder zurückzubringen. Und genau, da ist so ein bisschen die implizite Kritik, die sie aufmacht, dass in dem Pflegeheim, in dem der Herr war, sich offensichtlich nicht darum gekümmert wurde, was denn so die Wünsche am Lebensende von diesen Personen dort sind. Und ja, entsprechend wurden dann keine Dokumente aufgesetzt, niemand ist informiert und am Ende verstirbt die Person, ohne dass jemand weiß, ob das so war, wie der Herr sich das gewünscht hat. Und das genaue Gegenteil ist eine Frau, die eingeliefert wird oder ins Krankenhaus kommt und sie hat fortgeschrittenen Brustkrebs, war schon mehrfach in Therapie und hat aber die klare Entscheidung für sich getroffen bei klarem Verstand, dass sie keine weitere Krebsbehandlung mehr möchte. Das ist jetzt irgendwie, ich weiß nicht, seit wie vielen Jahren sie in Therapie war. Und genau, sie hat klar festgelegt, dass ihr Mann im Zweifel entscheiden darf. Der ist genau darüber informiert, was sie möchte. Also er ist eingesetzt, ich habe schon wieder den Begriff dafür vergessen. Und sie entscheiden sich dann in Kombination mit dem behandelnden Ärzteteam für eine palliative Behandlung. Sie wechselt auf die Palliativstationen. Ich glaube, nach Hause hat sie es nicht geschafft, auch wenn das ihr Wunsch war.
Christoph:
[40:43] Und die Familie ist beteiligt und unterstützt und man hat so das Gefühl eines guten Endes mit entsprechender Begleitung und das ist eben gelungen, weil die Person sich damit auseinandergesetzt hat, was sie denn mal möchte, ihr Umfeld informiert hat. Und ja, genau, also Büx spricht sich dafür aus, dass man sich auf jeden Fall mit dem Thema mal auseinandersetzen sollte und sich überlegt, wie man das gerne hätte, also Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, möchte man, dass jemand vom Gericht eingesetzt wird oder nicht, möchte man, dass die Person, die man selbst als entscheidende Person einsetzt, vom Gericht begutachtet wird oder kontrolliert wird, ja, all sowas.
Christoph:
[41:28] Es gibt dann natürlich trotzdem noch Auslegungsprobleme, weil Patientenverfügungen nie jede Situation perfekt abdecken können. Also man kann ja nicht alles perfekt beschreiben, aber trotzdem sind sie natürlich erste Anhaltspunkte. Genau, da wünscht sie sich auf jeden Fall, glaube ich, einen anderen Umgang und ich möchte euch Hörende auf jeden Fall auch mal dazu ermuntern, sich damit auseinanderzusetzen und wenn es das vielleicht noch nicht ist, vielleicht zumindest mal einen Organspendeausweis auszufüllen und sich auch in das Organspenderegister, das es jetzt gibt, einzutragen. Genau, ihr könnt zu allem Ja oder Nein sagen, aber es ist cool, wenn ihr was sagt, damit niemand raten muss, was im Falle des Falles passieren soll. So, das, genau, ich glaube, das ist nicht so überraschend. Wenn man diese Fallbeispiele liest, ist das auf jeden Fall sehr, sehr eindringlich. Das lohnt sich, solltet ihr ins Buch mal reingucken wollen.
Holger:
[42:30] Ja, es ist natürlich auch für die Angehörigen auch gar nicht mal so einfach unbedingt.
Christoph:
[42:38] Ja, absolut.
Holger:
[42:39] Ja, also wir hatten jetzt auch in der Familie eine Operation vor kurzem, wo dann vorher auch so ein Gespräch war. Und das ist dann halt auch, wo man als Angehöriger denkt, ja, jetzt geht es um Entscheidungen, die ich dann nachher gar nicht treffen will. Also selbst wenn man sich gut informiert, also wenn man irgendwie Anweisungen bekommen hat, wo man sagt, alles klar, und einem das Vertrauen ausgesprochen wurde.
Christoph:
[43:10] Ja, ich finde, man kann auch sehr begründet zu dem Schluss kommen, dass man sagt, möchte ich eine Person, die ich gut kenne, die in einem emotionalisierten Zustand ist, im Zweifel darüber entscheiden lassen. Man kann ja auch zu dem Schluss kommen, ich hätte ganz gerne, dass die versammelte Ärztinnenschaft entscheidet, wobei auch die, glaube ich, immer probieren wird, zu gucken, was denn vielleicht gewollt worden wäre und auch dann wird man eben mit möglichst nahestehenden Personen sprechen. Deswegen, ich glaube, so ganz kommt man nicht raus, aber ich finde es zumindest mal, also ich finde in der Diskussion klingt es immer so wie, naja, man sollte sich halt eine Person suchen, der man vertraut und die man mag und mit der über alles sprechen und dann macht die das schon und dann denke ich, naja, das ist halt auch sehr, sehr viel… Sehr, sehr viel Verantwortung, die man da einer Person gibt und eben in einer emotional nicht so einfachen Position. Von daher kann man sich, glaube ich, vielleicht auch auf das Fachpersonal verlegen, aber genau, da bin ich nicht tief genug drin. Aber es lohnt sich, ich habe es mir jetzt auf jeden Fall auch vorgenommen, nochmal in das Thema reinzugehen und zu gucken, was man so an Vorsorgevollmachten, PatientInnenvollmachten und so ausfüllen sollte. Genau.
Christoph:
[44:24] Sie spricht sich dann noch für das Konzept der vorausschauenden Versorgungsplanung aus, Advanced Care Planning, das sind immer so Sachen, bei denen ich denke, hä, also dafür brauchen wir einen eigenen Namen, geht es dann im Prinzip darum, dass PatientInnen, VertreterInnen und die Behandelnden in einen Dialog treten, kontinuierlich, gerade bei solchen degenerativ verlaufenden Krankheiten ist das natürlich gut machbar oder auch bei eben schweren Krebserkrankungen oder so, bei denen irgendwie die Prognose nicht so optimal ist, damit man da immer wieder im Dialog ist, was die Person jetzt möchte und ob sie das verändert sehen will und so weiter. Und sie plädiert auf jeden Fall dafür, dass es in Pflegeheimen auch mehr kommt. Und da denke ich mir immer, also schön, dass wir dafür jetzt einen coolen Namen haben und dass der Goldstandard ist, aber das klingt eigentlich so wie so ein No-Brainer, aber scheint es offenbar nicht zu sein.
Holger:
[45:16] Ja gut, aber da gibt es ja immer mal wieder Beispiele, dass das eigentlich recht simple Sachen dann gebrandet werden, wahrscheinlich auch, weil irgendjemand dann da Schulungen für anbieten will, um damit Geld zu machen. Also ich habe das auch schon gehört, dass es Leute gibt, die im Prinzip anbieten, oder als Therapieform etwas anbieten, was sie Waldbaden nennen und letzten Endes ist das halt ein Waldspaziergang. Also mit Therapeuten dann, aber es ist jetzt nicht Also wahrscheinlich spielen bei solchen Labeling-Sachen auch solche Geschichten immer mal wieder in der Rolle.
Christoph:
[45:56] Ja, guter Punkt auf jeden Fall. Sie kommt dann auf das ganze Thema Sterbehilfe zu sprechen und dazu, was so in Deutschland erlaubt ist und was noch in der Grauzone stattfindet und was eben auch verboten ist. Und ja, da können wir auf jeden Fall auch einmal durchgehen. Erlaubt ist die passive Sterbehilfe, also das Zulassen des Sterbens durch Unterlassen oder Beenden lebensverlängernder Maßnahmen. Und genau, das ist halt, das ist erlaubt und also da geht es dann um sowas wie das Einstellen von künstlicher Beatmung, was dann überhaupt gar kein passiver Vorgang für die behandelnden ÄrztInnen mehr ist. Also es kann sehr aktiv sein, das zu machen. Und die Frage, die sich dabei immer wieder stellt, ist, wann beginnt die Phase, in der Sterben zugelassen werden soll. Also den Zeitpunkt da zu treffen, dass Personen konkret im Sterben liegen. Und ja, das ist nicht so ganz trivial.
Holger:
[46:58] Und natürlich kommen da dann auch wieder so, ja letzten Endes auch wieder die Gerechtigkeitsgedanken mit rein. Also wenn das Krankenhaus halt nur eine bestimmte Anzahl von Geräten hat, um Menschen am Leben zu halten und da kommt jemand rein, wo man das braucht und dann stellt sich ja schon die Frage. Also ich weiß, es ist natürlich immer ein bisschen hypothetisch, also man weiß nicht, wie oft das wirklich vorkommt, aber ich glaube, ein Teil von solchen ethischen Überlegungen ist ja, dass man sich zumindest mal auf den Fall vorbereitet.
Christoph:
[47:33] Ja, Triage behandelt sie gar nicht in dem Buch. Vielleicht ein guter Kritikpunkt, weil das auf jeden Fall was ist, was die Medizinethik betrifft. Kommt aber, wenn ich jetzt nichts vergesse, überhaupt nicht vor. Und das wäre in dem Kontext sicherlich richtig. Bei der passiven Sterbehilfe spricht sie da jetzt aber zumindest auf gar keinen Fall drüber.
Christoph:
[47:55] Sie meint, dass es für ÄrztInnen echt ein Problem ist, passive Sterbehilfe manchmal durchzuführen, weil eben eine Beatmungsmaschine abzustellen, zwar unter passive Sterbehilfe fällt, sich aber überhaupt nicht danach anfühlen muss. Und da werden dann, glaube ich, teilweise auch Leben verlängert, die rein vom PatientInnenwunsch heraus nicht mehr verlängert hätten werden sollen. So, genau. Was, glaube ich, sehr unumstritten ist, ist die indirekte Sterbehilfe, also die nicht beabsichtigte, in Kauf genommene Lebensverkürzung als Nebenwirkung einer palliativen Maßnahme, sowas wie das Geben von Morphium oder so. Also da sprechen wir dann nie immer Monate oder so, um die es da geht, sondern meist empirisch, man kann das nicht so genau differenzieren, geht es da um wenige Stunden, vielleicht mal einen halben Tag, vielleicht auch mal zwei Tage, aber nie um so ganz… Krass verkürzende Maßnahmen und genau, da geht sie auf die Lehre von der Doppelwirkung nochmal kurz ein. Also es ist völlig zulässig, Handlungen durchzuführen, die gute und schlechte Folgen haben, also die Schmerzlinderung oder vielleicht die Linderung der Atemnot bei gleichzeitiger Verkürzung des Lebens.
Holger:
[49:16] Ja, ich denke, dass es, wenn sich jemand schon in der Palliativbehandlung befindet, dann ist es ja eigentlich schon klar, dass der Sterbevorgang im Gange ist. Und dann, ich glaube, das macht dann auch nochmal einen Unterschied. Während wenn man jetzt eine Person in Behandlung hat und dann einfach zum bestimmten Zeitpunkt feststellt, eigentlich müssen wir jetzt in Palliativ übergehen, indem wir zum Beispiel ein Gerät abschalten. Das ist dann, glaube ich, einfach nochmal eine andere Frage. Oder wenn es Fälle gibt, wo man sagen würde, eigentlich diese Person ist körperlich, wäre sie bei einer vernünftigen Behandlung noch in der Lage, über einen längeren Zeitraum zu leben. Dann ist es auch nochmal eine andere Frage. Aber ich glaube schon, dass man ja in Palliativbehandlungen zu einem Zeitpunkt kommt, wo klar ist, okay, wir reden hier bestenfalls von Monaten, wahrscheinlich eher nur von Wochen, vielleicht sogar nur von Tagen.
Christoph:
[50:21] Was in Deutschland verboten ist, ist die aktive Sterbehilfe bzw. Tötung auf Verlangen. Das ist, glaube ich, auch soweit bekannt, vermute ich. Also die absichtliche Tötung eines unheilbar kranken Menschen durch ärztliche Medikamentengabe. Das dürfen wir in Deutschland nicht. Die Argumente dafür sind offensichtlich. Also Selbstbestimmung, der Wunsch nach einem selbstbestimmten Sterben und auch der Leidvermeidung. Und auch da gibt es dann so Dammbruch-Argumente als Gegenargumente. Und ja, die Sorge vor Missbrauch, also inwiefern werden solche Menschen gedrängt von ihrem Umfeld, das in Anspruch zu nehmen, inwiefern, was macht das mit einer Gesellschaft, wenn das als Beispiel um sich greift, also das sind so die Gegenargumente. Ja und dann gibt es natürlich auch ich hatte das schon angeführt ich glaube bei der PED die Vorstellung dass Gott oder das Schicksal die letzte Entscheidung über das eigene Leben zu treffen haben und eben nicht man selbst ja genau ich glaube Selbstmord
Holger:
[51:33] Ist ja nicht strafbar wenn ich das richtig im Kopf.
Christoph:
[51:38] Habe. Ich bin jetzt kein Jurist, aber ich glaube, mich zu erinnern.
Holger:
[51:42] Also es wäre natürlich auch irgendwie relativ sinnfrei, das strafbar zu machen.
Christoph:
[51:47] Aber eine Sünde ist es doch schon im Christentum, oder?
Holger:
[51:52] Ja, zumindest traditionell, wobei auch da gibt es ja Entwicklungen. Ich weiß nicht, wie jetzt die neueste Ausrichtung da ist. Das kann ich gerade nicht sagen, weil ich diese Diskussion nicht so verfolgt habe. Also geht mir jetzt gerade nur vom Gedanken her, die Differenzierung, man bestraft Menschen, die da helfen, also nur um das klarzustellen, das finde ich auch richtig. Wenn eine Person das selber will, die kann man dann ja gar nicht bestrafen.
Christoph:
[52:30] Ja, also genau, Bestrafung ist da in meinen Augen auch völlig albern. Ja, also Dammbruchargumente genau hatte ich schon gesagt
Christoph:
[52:42] Dann gibt es natürlich noch das Gegenargument dass man gar nicht psychisch gesund zu dem Schluss kommen könnte dass man sterben wollte und da sagt sie naja, das stimmt nicht, also es gibt selbstbestimmte Sterbewünsche die nicht einem Missverständnis und einer psychischen Erkrankung entspringen das kann man sich ja auch einfach von entsprechenden Fachpersonen bestätigen lassen und sie meint, naja, der Gedanke Also Zitat, der Gedanke, wenn es mal ganz schlimm wird, kann ich mich an jemanden wenden, muss ja nicht automatisch als Drohkulisse einer kalten gesellschaftlichen Normalität schlimmer Tode aufgefasst werden. Das finde ich ist auch richtig.
Christoph:
[53:19] Ja, und was ich noch spannend finde, ist, dass sie sagt, in Deutschland kann man diese Debatte deutlich schlechter und viel befangener wird sich hier geführt als in anderen Ländern aufgrund der historischen Vergangenheit, die wir eben haben. Das fand ich nochmal ganz spannend sie meinen, also ne, KollegInnen von ihr mindestens meinen, naja, in den Benelux-Staaten kann man da, oder in Großbritannien kann man da einfach viel unbefangener drüber sprechen weil nicht gleich irgendwie Argumente der Nazi, mit der Nazi-Keule quasi kommen ja, und apropos Benelux-Staaten empirisch, das finde ich spannend, gegen diese Dammbruch-Argumente da ist ja aktive Sterbehilfe erlaubt, also ich weiß nicht, ob in allen drei Ländern gleich, aber ne, prinzipiell ist das zumindest mal möglich und die Zahlen sind über die letzten 20 Jahre ziemlich stabil geblieben, aber sie steigen in den letzten Jahren wohl etwas. Das finde ich erstmal, also sie meinten, das muss man beobachten, mal gucken, wie sich das weiterentwickelt, aber das ist irgendwie interessant.
Holger:
[54:24] Ja, das ist, hätte ich jetzt den Gedanken, inwieweit das vielleicht auch so generell, mit so generellen, wirtschaftlichen sozialen entwicklungen zu tun hat aber ja das ist jetzt nicht mein gebiet da bist du dann näher dran zumindest was die sozialen entwicklungen angeht und, Ich glaube, ich habe auch diese dunkle Erinnerung, dass es auch wieder kulturell ein bisschen damit zusammenhängt, wie anerkannt solche Dinge sind. Ich erinnere mich, es gab mal eine Folge von Revisionist History, ein Podcast von Malcolm Gladwell, wo es um Ungarn ging und die Tatsache, dass da eine relativ hohe Selbstmordrate ist. Aber dann, also in diesem Podcast ging es auch so ein bisschen darum, dass das auch mit der anderen Kultur zusammenhängt. Dass der Stellenwert oder die Art, wie die Kultur drauf guckt, eine andere ist. Und ich glaube, dasselbe ist auch mit Japan der Fall. Die auch verhältnismäßig hohe Selbstmordraten haben. Also da gibt es auch so kulturelle Ideen, die da, glaube ich, auch stark reinspielen.
Christoph:
[55:41] Ja, auf jeden Fall. Also das ganz sicher. Sie spricht sich dann am Ende auch nicht direkt für das Einführen aktiver Sterbehilfe ein. Also sie hält sie prinzipiell für ethisch zulässig, aber sie plädiert nicht aktiv dafür, sie einzuführen. Also genau so formuliert sie es, weil sie eben die steigenden Zahlen in den Nachbarländern schon für einen schleichenden Prozess der Normalisierung halten könnte. Und sie meint, da muss man auf jeden Fall nochmal ein bisschen das im Blick behalten. Vielleicht ist ein Ausweg ja der assistierte Suizid. Und die, ja, wir haben nämlich von 2020 gibt es ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, das sagt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist und das umfasst auch die Freiheit, sich das Leben zu nehmen und dabei Hilfe zu suchen, anzunehmen.
Christoph:
[56:43] Und genau, da geht es dann im Prinzip um solche Verfahren, wie wir das aus der Schweiz kennen. Wie heißt der Verein Dignitas, die das durchführen? Ich glaube, dass man da einen Medikamenten-Cocktail dann im Normalfall trinkt, das ist glaube ich so das Standardmodell, das halt aber eigenständig tut und das eben nicht von außen durch einen Arzt, eine Ärztin durchgeführt wird. Und Bücks ist diese Unterscheidung auch sehr wichtig, dass bei der aktiven Sterbehilfe eben eine Person von außen das Medikament zuführt und man nicht bis zum letzten Moment die Entscheidungsgewalt darüber hat. Aber wenn man durch ein Strohhalm einen Medikamentencocktail trinkt, das natürlich anders ist. Man kann das noch im Mund haben und da könnte man noch in der letzten Sekunde vor dem Schlucken entscheiden, ich möchte das wieder ausspucken, ich will das nicht.
Christoph:
[57:34] Und diese prinzipielle Offenheit der Entscheidung bis zur letzten Sekunde hält sie für sehr wichtig und dem kann ich zumindest folgen. Also ich glaube, meine Haltung zur aktiven Scherbehilfe ist dann letztlich eine andere als die von Böcks. Aber genau, mir war gar nicht so klar oder ich hatte das nicht so präsent, dass eben grundsätzlich dieser ärztlich assistierte Suizid jetzt durch das Bundesverfassungsgericht zugestanden wird, auch wenn wir glaube ich noch keine, ja also es muss neu geregelt werden gesetzlich. Wir haben da noch keine Regelung vernünftig für, wie das stattfinden kann und so. Aber ja, das finde ich erstmal spannend. Und ich meine, es gibt dann sicherlich auch Krankheitsverläufe, in denen dann vielleicht selbst das nicht mehr möglich ist, weil man eigentlich festgeschrieben hat, keine Ahnung, wenn ich ins Koma falle. Naja, wobei, das ist ein schlechtes Beispiel, da reicht dann die passive Sterbehilfe. Also man kann sich ja sicherlich Krankheitsverläufe vorstellen, in denen dann auch ein assistierter Suizid einem selbst nicht mehr möglich ist, aber grundsätzlich finde ich spannend, dass das zugestanden wird. Ja, genau, das noch dazu.
Holger:
[58:48] Ich finde es auch ein sehr schwieriges Thema.
Christoph:
[58:50] Ja, es ist schwierig, aber ich finde es total notwendig, dass wir da auf jeden Fall, also ich finde es notwendig, dass man sich als aufgeklärter Bürger, als aufgeklärter Bürgerin mit diesen Fragen auseinandersetzt und eine Haltung entwickelt. So, ja. Dann geht es um das Arzt-Patienten-Ärztin-Patientinnen-Verhältnis. Da gehe ich jetzt so ein bisschen drüber, weil ich das jetzt wirklich intellektuell nicht so unfassbar spannend fand, plattgesprochen. Genau, also partnerschaftliches Modell gilt heute als Goldstandard, also man hat so den Ansatz des Shared Decision Making, also Austausch auf Augenhöhe zwischen Ärztin und Patientin und da muss dann natürlich Vertrauen vorherrschen und alternativ gab es früher mal das paternalistische Modell. Also man hat irgendwie den Arzt als Halbgöttin und das tritt immer nochmal ein. In Notfällen geht es nicht anders, da muss einfach entschieden werden. Genau, und dann gibt es noch modern das Konsumentenmodell, also man hört als Patient, Patientin nur noch Vorschläge und entscheidet dann allein und man geht direkt in so einen Bestellcharakter, das findet sie auch nicht gut.
Christoph:
[1:00:10] Und dann spricht sie über Selbstbestimmung und Frühsorge. Sie hat da das Beispiel einer Patientin, die nach einem komplizierten Bruch, der nicht heilen will und dann eine Infektion hat, ist eine Patientin, die eine Amputation ablehnt als letztes Mittel. Die ist noch jung und möchte das nicht, aber es steht eine lebensbedrohliche Sepsis für sie ins Haus und trotzdem sagt sie, ich möchte nicht amputiert werden, ich will das einfach nicht. Für mich ist das kein Leben, das ich mir vorstellen möchte. Und das Ärztinenteam verzweifelt daran regelrecht und kann das nicht verstehen, weil moderne Prothesen so gut sind und was soll das denn überhaupt und die Frau ist doch noch jung und hat das ganze Leben vor sich. Und trotzdem geht da eben, die Person ist einwilligungsfähig, das wird von ExpertInnen bestätigt und genau, die verstirbt dann letztlich selbstbestimmt an der Sepsis, die dann tatsächlich eintritt.
Christoph:
[1:01:09] Und sie meint, das gilt es zu respektieren, auch wenn es schwierig ist. Und dann macht sie noch das ganze Thema Umgang mit Fehlinformationen auf, was sicherlich auch wichtig wird. Wie geht man damit um, dass das liebeweite Internet voll ist mit Fehlinformationen? Und genau, Aufklärung wird immer wichtiger, weil das, was man so findet, das wissen wir alle, nicht unbedingt richtig ist. Und wie kriegt man es hin, dass man den eigenen ÄrztInnen vertraut? Das ist natürlich auch gar nicht so einfach, weil die Zeit knapp ist und die Zeit für Aufklärungsgespräche auch knapp ist. Und ja, das fand ich nochmal einen wichtigen Punkt, ohne dass sie da jetzt rausgeht mit der zündenden Idee, wie man es lösen kann.
Holger:
[1:01:56] Ja, das ist natürlich… Also so hart formuliert, diese alte Logik mit den Ärzten als, mir ist nebenbei geschlechtsneutral, halb Gottheiten.
Christoph:
[1:02:11] Oh, sehr gut, ja.
Holger:
[1:02:13] In weiß, das ist natürlich eine gewisse Art, das Problem zu lösen, indem man halt sagt, okay, das sind halt die, die am Ende, wo man auf deren Wissen vertraut. Jetzt weiß man natürlich das auch klar, dass auch Ärzte nicht immer alles wissen. Aber wir haben ja sozusagen heute das Paradox, dass wir zum einen immer selbstbestimmter sein können, aber dadurch haben wir natürlich auch das Problem, dass wir uns eigentlich mit immer mehr Informationen selber beschäftigen müssen. Und wir können es auch, aber wir haben eben auch nicht immer gute Filter, weil eben jeder mitreden kann. Das heißt, es reden halt auch viele mit, die nicht so viel Ahnung haben.
Christoph:
[1:02:59] Ja, das kommt mir aber bei ihr tatsächlich ein bisschen zu kurz, dass man unter Bedingungen von Zeitknappheit, ist es schon sehr lohnenswert und ein wichtiger Skill, würde ich auch sagen, Gesundheitsinformationen selbst sich erschließen zu können, selbst auch vielleicht im Zweifel auch Hypothesen gebildet in Ärztinnengespräche zu gehen, weil die einfach keine Zeit für irgendwas haben. Und das ist, glaube ich, total komplex, also ich glaube, ja, als informierter, als informierter zu behandelnde Person in Gespräche zu gehen, ist echt nicht verkehrt, aber das hat halt einfach das Problem von Missinformationen, bringt es mit sich und das, finde ich, ist ein total schwieriges Spannungsfeld und da einfach nur, sie rekurriert dann drauf zu sagen, naja, eure Ärzte und Ärztin meinen es schon wirklich gut mit euch und die geben sich echt Mühe und die sind voll auf eurer Seite,
Christoph:
[1:03:56] Ja, okay, aber die sind auch überarbeitet und überlastet und ich bin nur ein Patient von keine Ahnung wie viel Tausenden deswegen, ich glaube schon, dass die es gut mit mir meinen, aber ob sie alles im Blick haben können weiß ich nicht so genau also deswegen, ich finde es total schwierig und genau entsprechend fand ich sie da so ein bisschen wohlfeil irgendwie zu sagen, naja, die kriegen das schon hin ist zwar stressig, aber die wollen das Beste und das vertraut denen mal, also jetzt überspitzt formuliert.
Christoph:
[1:04:30] Also ich meine, sie hat schon das Thema Augenhöhe mit drin, das schwingt da schon mit, aber ja.
Holger:
[1:04:36] Es kann natürlich auch sein, dass sie da selber auch einfach keinen guten Lösungsvorschlag hat und das Thema nicht weiter vertiefen wollte.
Christoph:
[1:04:44] Ja, das kann natürlich sein.
Holger:
[1:04:47] Was ja auch legitim ist. Klar, du kannst dann noch mehr auf die Problematik hinweisen und das ist vielleicht auch ein Problem unserer Zeit, dass es immer schwerer zu sein scheint, einfach mal zu sagen, ich weiß das nicht oder ich verstehe das Problem, aber ich habe auch keine Lösung. Also da vielleicht ist das auch ein bisschen das Problem, dass man heute dafür dann auch mehr abgestraft wird oder generell dafür abgestraft wird. Ob es jetzt früher generell besser war, das weiß ich eigentlich auch nicht. Das hängt vielleicht auch ein bisschen vom Kontext ab. Also jetzt in einem wissenschaftlichen Kontext würde man hoffen, zumindest hoffen, dass man nicht abgestraft wird, wenn man sagt, man weiß was nicht. Ich glaube, gerade so im Medienkontext funktioniert das eher nicht so gut. Und sie war ja auch eine Zeit lang sehr medienpräsent.
Christoph:
[1:05:46] Ja, das stimmt.
Holger:
[1:05:47] Also ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es im Moment ist. Also auch wenn das eben so klang, ich gucke eigentlich auch nicht so viele Talkshows. Ja, Corona-Zeit hatte man halt weniger andere Abendaktivitäten, dann hat man das hin und wieder doch mal gemacht, aber…
Christoph:
[1:06:04] Ja, ich kann vielleicht ja nochmal aufmachen, was sie damit meint. Also sie hat da wieder ein Fallbeispiel von einem Herrn, der ein Prostatakarzinom hat und dann gibt es im Prinzip drei Behandlungswege. Das eine ist, man operiert dann bei der Prostata mit möglichen Folgeschäden, wie du triffst Nerven, kannst dann Erektile Dysfunktion entwickeln, kannst Inkontinenzprobleme entwickeln. Du kannst Prostatakarzinome wohl auch einfach erstmal beobachten, weil die meisten, also ich glaube über 50% der Männer sterben mit einem Prostatakarzinom, das wird halt häufig nur nicht entdeckt, aber selten sterben sie an einem Prostatakarzinom, also kannst du einfach einen Blick behalten und erstmal gar nichts machen, oder du kannst halt bestrahlen. Und da wird halt beschrieben, wie dieser Mann von seinem Arzt gut beraten wird,
Christoph:
[1:07:06] Trotzdem für sich eine informierte Entscheidung fällt und er sagt, er möchte auf jeden Fall, dass es operiert wird, aber er hat halt die drei Auswahloptionen quasi und die Entscheidung wird gemeinsam getroffen, also er kann informiert da reingehen, kann sich alles anhören, genau, das ist so, ja, so wie man sich es halt wünschen würde und es geht dann natürlich auch gut aus, schön, aber genau, es geht ja dabei um das Ganze, also informierte Einwilligung, also Also man muss einwilligungsfähig sein, man muss informiert sein als Patient, Patientin und das Verständnis für das Problem haben und die Möglichkeiten der Behandlung. Und das Ganze findet eben freiwillig statt, siehe die Person, die an ihrer Sepsis verstorben ist. Ja, genau.
Christoph:
[1:07:52] Ja, so zuletzt mit Blick auf die Zeit geht sie auf das ganze Thema KI ein. Denn ja, KI ist es im Großen und Ganzen, beziehungsweise das, was wir halt dafür halten oder was wir so nennen. Da geht es dann einerseits, also sie hat vier kleine Beispiele. Es gibt Narkose-Algorithmen mittlerweile, also eine Anästhesie und die kriegen, genau, da kann dann eine KI die verlaufende Narkose überwachen, steuern und so weiter. Und die ist auch ein paar Prozentpunkte besser als die ÄrztInnen in der Kontrolle.
Christoph:
[1:08:33] Man kann in therapeutischen Settings KIs einsetzen, also bei Kindern mit schwerem Autismus gibt es wohl eine Puppe, die einem Kasper recht ähnlich sieht und die Kinder können entweder unter Beaufsichtigung oder unbeaufsichtigt mit dieser Puppe spielen, die wohl auch ein bisschen sprechen kann um
Christoph:
[1:08:55] Und halt irgendwie ein mehr oder minder nettes Gesicht hat. Und die Kinder machen Fortschritte in ihren sozialen und sprachlichen Fähigkeiten, wenn sie regelmäßig mit dieser Puppe spielen. Da weiß ich jetzt nicht genau, wie viel KI da jetzt schon drin ist, aber so überhaupt, das ist halt ein Roboter, mit dem gespielt wird. Dann Psychotherapie-Chatbots, kann man sich vorstellen, ermöglichen kontinuierliche Betreuung. Wer hilft einem, wenn man nachts um drei aufwacht in seiner Depression und jetzt genau ein therapeutisches Gespräch haben möchte? Das macht eher nicht der Therapeut, die Therapeutin. Was macht man, wenn man keine Plätze bekommt und so weiter?
Christoph:
[1:09:30] Dann die Frage natürlich nach, naja, tägliche Stimmungsabfrage und Diagnose, dann vielleicht ein bisschen zugeschnittene Übungen und ja, genau, das ist so das dritte Beispiel. Und das vierte Pflegeroboter, das ist jetzt nicht so sehr KI, aber Pflegeroboter für Alltagsaufgaben, die irgendwie beim Aufstehen helfen können, beim Toilettengang, vielleicht irgendwann auch mal beim Anziehen. Die haben dann im Zweifel auch Avatare, mit denen man irgendwie interagieren kann. Da kannst du dann natürlich auch die LLMs, die wir alle kennen, ChatGBT und so, könnte man da auch einbauen und dann eventuell, keine Ahnung, auch Gedächtnistraining oder Rätsel mit den zu betreuenden Personen durchführen. Und das sind so Beispiele. Und ja, viel davon ist noch in der Forschungs- und Erprobungsphase, aber sie meinten, naja, da wird halt was auf uns zukommen und wir müssen gucken, dass wir, wie wir es in der Medizin, das ist ja ihr Argument, immer wieder bisher immer gut hingekriegt haben, dass wir nicht einfach in Technologien rein stolpern, sondern das als gezielten Prozess nutzen.
Christoph:
[1:10:36] Und sie meint, KI hat da einfach so einen klassischen Dual-Use-Charakter. Also kann er total hilfreich eingesetzt werden oder kann total Schreckliches schaffen und da müssen wir auf jeden Fall uns beim Hilfreichen bewegen und sie stellt ein bisschen im Prinzip dann die Frage an den Leser, die Leserin, wo man selbst die Grenze zieht, was von diesen Fallbeispielen man für sich selbst sich vorstellen könnte, was man für sinnvoll hält, was vielleicht auch ethisch problematische Dinge mit sich bringt. Also täuscht man da zum Beispiel demente Personen, wenn man die mit so Pflegerobotern interagieren lässt? Oder auch die Kinder mit Autismus, mit der Puppe, sind die dann getäuscht und glauben, das ist irgendwie ein echtes Gegenüber? Ja, solche Fragen stellen sich dann. Wo man ja auch wieder die Frage ist,
Holger:
[1:11:26] Was denn echt ist.
Christoph:
[1:11:27] Ja, ja.
Holger:
[1:11:29] Also ich persönlich hätte jetzt so spontan, hätte ich eher die Sorge, wenn man viel KI einsetzt, dass dann auch so die Schwächen von KI mit solchen, also im Moment im Gespräch, dass es diese KI-Halluzinationen gibt, also dass KI halt einfach irgendwie, also man würde sagen klassisch bullshittet, also irgendwelche Sachen einfach erfindet, weil es eben nicht auf Fakten checkt, sondern, was sprachlich plausibel ist, also das ist ja das, was diese LLMs größtenteils machen, dass sie einfach plausible Sätze erstellen die aber nicht unbedingt faktisch korrekt sind und, da würde ich jetzt mir dann Gedanken machen und da können halt auch, je nachdem wo und wie die trainiert wurden halt auch unerwünschte Sachen dann bei rauskommen. Das heißt, dass dann zum Beispiel Suizid vorgeschlagen wird oder sowas. Das kann dann durchaus passieren, auch wenn man das vielleicht gar nicht normal total abwegig wäre. Und dann können diese Halluzinationen auch wirklich gefährlich werden.
Christoph:
[1:12:44] Ja, voll. Was wollte ich gerade noch genau, Genau, das zu meinen, bei diesem Anästhesie-Thema zum Beispiel ist schon auch, also die sind im Schnitt ein bisschen besser. Das Ding ist, man braucht auf jeden Fall einen Menschen in dem Loop, weil also wenn die was verbocken, dann verbocken die es richtig heftig. Also keine Ahnung, wenn du, die scheinen wohl auch mal auf die Idee gekommen zu sein, dass du Salz, also Natriumchlorid-Lösung einfach zur Anästhesie einsetzt.
Christoph:
[1:13:16] Also die Fehler, die die machen, sind dann im Zweifel halt heftig, wenn man die dann einfach blind befolgt und das, genau, aber das passiert halt auch nicht, das muss man auch sagen, die sind noch nicht völlig, die sind nicht autonom, aber sie plädiert einfach dafür, dass Menschen da drin bleiben, weil die Fehler, die Menschen machen, einfach nicht ganz so gravierend sind.
Christoph:
[1:13:36] Genau, jetzt überlege ich gerade, sie hatte noch ein anderes, ah, für Tuberkulose, Befundentwicklung, genau, hat man auch festgestellt, Algorithmen sind in der Erkennung, also Tuberkulose ist schwierig zu erkennen, die Bilder, die es dafür braucht, genau, die Röntgenbilder hat eine KI auf jeden Fall besser erkannt und man hat irgendwann festgestellt, ah ja, warum erkennt ihr das so gut? Und es hat sich einfach nur die Ränder der Röntgenbilder angeguckt und hat geguckt, ob das ein mobiles Gerät ist oder ein stationäres Gerät. Tuberkulose tritt in reichen Ländern eher nicht mehr so auf. Wir haben stationäre Röntgenbilder und mobile Röntgengeräte werden eher in ärmeren Ländern eingesetzt, indem man in irgendwelche entlegenen Regionen muss. Und genau, also es ist die Frage, worauf trainiert man seine KI. Und offensichtlich ist die Randbetrachtung eines Bildes keine medizinische Indikation. Also solche Fehler muss man auf jeden Fall ausmerzen. Also sie plädiert dafür, dass KI keine vollständige Blackbox sein darf, also diese Algorithmen. Das ist, glaube ich, aber auch soweit selbstverständlich und entsprechend muss auch das medizinische Personal zumindest im Ansatz verstehen, wie diese KI-Technologien funktionieren. Und natürlich Daten, Datensensibilität und Datenschutz ist auch wichtig.
Holger:
[1:14:59] Ja, und ich glaube, man muss sich da klar machen, dass es immer mal wieder so Buzzwords gibt, die dann überall einfach reingeschrieben werden. Und KI ist halt eins davon. Ja, voll. Ein anderes ist Blockchain, wo dann irgendwie so ein paar Jahre lang durch die ganzen Kryptowährungsgeschichten dann irgendwie jeder gesagt hat, wir machen irgendwas mit Blockchain und man dann, aber irgendwie, also meines Wissens noch niemand mit einer wirklich sinnvollen Anwendung für Blockchain angekommen ist.
Christoph:
[1:15:34] Ja.
Holger:
[1:15:37] Und genauso wird wahrscheinlich jetzt überall immer KI reingeschrieben. Ja, ja. Ohne, dass immer so ganz klar ist, wie KI denn da wirklich sinnvoll nutzbar ist und was denn da die praktischen Use Cases für überhaupt sind. Deswegen glaube ich, ist man ganz gut beraten, wenn man da eine gewisse Vorsicht behält bei dem ganzen Thema. Also gerade wenn irgendwas als Lösung für alles angeboten wird, dann spricht das tendenziell vielleicht auch dafür, dass es gehypt ist.
Christoph:
[1:16:14] Ja, voll. Ja, damit bin ich mit dem Buch soweit zu Ende und wir können zu Empfehlungen, Verlinkungen und so weiter übergehen, wenn du magst, außer du möchtest noch was hinzufügen.
Holger:
[1:16:30] Nee, also ich fand es das Buch wirft viele spannende Fragen auf, ich glaube es ist auch ein bisschen in der Natur dieser Themen, dass jeder auch für sich selber ein bisschen immer die Antwort dazu finden muss was er dafür richtig hält, aber ich hatte es ja schon am Anfang gesagt das sind komplizierte Fragen, auch deswegen, weil die Antwort nicht immer so einfach ist und ich glaube dann auch, wenn es ans Politische geht, es auch nicht immer so einfach ist, bei den Themen sinnvolle Kompromisse zu finden. Und deswegen glaube ich, dass das auch immer aktuell bleiben wird.
Christoph:
[1:17:10] Voll, voll. Das wird es und genau, einfach mein Plädoyer dafür, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen. Ich halte das einfach für wichtig.
Christoph:
[1:17:26] Ja, wenn du magst, kann ich kann ich starten ich hatte ja
Holger:
[1:17:29] Schon also ich habe jetzt nicht so viel ja.
Christoph:
[1:17:33] Ich habe auch mir aber ja
Holger:
[1:17:34] Also mir ist dann auch aufgefallen wie lese ich anscheinend nicht so viel über ethische themen also zumindest nicht so dass ich das jetzt noch so richtig im kopf hätte also lange her dass ich was über ethik gelesen habe und ja, Ob ich jetzt irgendwie auf Kant dann verweisen will, weiß ich gerade nicht. Insofern habe ich jetzt eigentlich nur drei Sachen. Zum einen eine Korrektur. Also ich habe jetzt nochmal gerade gecheckt. Der Podcast, den ich erwähnt habe über so auch kulturelle unterschiedliche Ansichten zu Suizid, war von Freakonomics Radio. Da hatte ich irgendwie zwei Podcasts durcheinander geworfen, die Folge 40. Dann auch eher seichte Kost, würde ich sagen es gab das vor so zehn, ich schätze etwa zehn Jahren war das auch glaube ich so ein bisschen Bestseller The Top Five Regrets of the Dying, von Brownie Ware.
Holger:
[1:18:47] Die halt als quasi als Sterbebegleiterin gearbeitet hat und dann ja, also sehr anekdotenreich so ein bisschen, schreibt, wo darüber schreibt, was sie wahrgenommen hat, als so die Dinge, die die Menschen am Lebensende so ein bisschen bereuen. Natürlich hat dann, wie gesagt, es ist nicht besonders tief, hat auch so ein bisschen einen Selbsthilfe-Touch, aber wenn man sich mit dem Thema nochmal beschäftigen möchte, ist es vielleicht eine Idee. Und dann noch ein Film, der ist mir ganz am Anfang eingefallen zum Thema Designer-Babys. Da gibt es den großartigen Film Gattaca.
Christoph:
[1:19:31] Wie schreibt man das?
Holger:
[1:19:34] Also ich werde es für die Shownotes richtig schreiben. Ich glaube G-A-T-T-A-C-A. Aber ich check das nochmal für die Shownotes, dass es auch wirklich so geschrieben wird. Der ist auch schon.
Holger:
[1:19:53] Späte 90er frühe 2000er muss der gewesen sein also der hat jetzt auch schon sicher also gut über 20 Jahre, wahrscheinlich auch schon über 25 Jahre auf dem Buckel und ist ein hervorragender Film, der so ein bisschen, so ein bisschen eine Welt in der Designer-Babys die Norm sind.
Holger:
[1:20:20] So ein bisschen erforscht und das Ganze mit einer auch ganz spannenden Geschichte verknüpft über jemanden, der kein Designer-Baby ist und was für Aufwand der macht, um das System zu… Zu umgehen. Also für mich auch ein Beispiel dafür, dass gute Science Fiction wirklich sehr zum Nachdenken anregen kann. Und ich würde auch sagen, ich habe sogar irgendwann vor ein paar Monaten, es gibt ja auf YouTube manchmal so Reviews von alten Filmen und habe da eine zu dem Film gesehen, die auch gesagt hat, dass der Film immer noch ist, immer noch wert ist, gesehen zu werden. sehr gut gealtert ist. Ich muss gestehen, ich habe ihn jetzt auch wahrscheinlich seit 20 Jahren nicht gesehen, aber ich denke, wer mal so einen Film zu dem Thema sehen will, dieser Film, meiner Meinung nach, wird er sich lohnen.
Christoph:
[1:21:24] Super, vielen Dank. Gut, ich kann euch empfehlen, das Buch Der Tod meiner Mutter von Georg Dietz, der, ich kenne ihn als Autoren bei der Süddeutschen Zeitung und des Buchs von 2009. Genau, da geht es um die Krebserkrankung seiner Mutter und er erzählt ein bisschen nach. Ich habe das damals gelesen, das ist jetzt schon lange her, aber ich fand das wirklich ausgesprochen gut. Und genau, diejenigen von euch, die mit so längerfristigen Erkrankungen oder schweren Krebserkrankungen schon selbst konfrontiert waren, ich habe da viel drin wiedererkannt, auf jeden Fall. Also ich weiß nicht, wie verallgemeinerbar diese Erfahrungen sind und diese emotionalen Haushalte, aber genau, ich fand das einfach sehr, sehr gut.
Christoph:
[1:22:14] Dann aus ein bisschen einer wissenschaftlicheren Perspektive, aus einer soziologischen Perspektive, ist die sehr dünne Schrift über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen von Norbert Elias, ich glaube aus den 80er Jahren, finde ich sehr, sehr gut. Da geht es darum, wie der Tod ja im Prinzip immer stärker Individualsache wird und aus der Familie, aus der Gesellschaft an den Rand gedrängt wird. Kann man sicherlich darüber streiten, ob die Diagnose auch gute 40 Jahre später noch trägt, aber ich finde es auf jeden Fall eine spannende Lektüre. Genau, und so ein bisschen, einfach weil wir alle eine Pandemie durch haben oder die, genau, doch alle, die das hier hören, werden es mitgekriegt haben. Der Rest ist noch zu jung. Die Pest von Albert Camus lohnt sich sicherlich auch. Und Verlinkungen zu alten Folgen. Religion für Atheisten von Alain de Botton. Das ist Folge 11, ist, glaube ich, eine vernünftige Referenz. Und Regeln von Lorraine Destin, Folge 86. könnte, glaube ich, auch taugen. Und jetzt weiß ich nicht, in welcher Folge ich das vorgestellt habe, aber Roboterethik von Janina Loh fällt mir so ein zum letzten Kapitel.
Christoph:
[1:23:30] Sollte, glaube ich, auch ein, zwei Einsatzpunkte haben, auch zum Thema was ist eigentlich echte Kommunikation und was ist authentisch und wie müssen wir damit umgehen und was bedeutet das? Ja, das war es dann aber auch mit meinen Empfehlungen.
Holger:
[1:23:47] Sehr schön. Dann sind wir am Ende unserer Folge. Wir möchten noch mal darauf hinweisen, ihr findet uns natürlich bei den Podcast-Playern eurer Wahl, teilweise inzwischen auch bei YouTube, aber ich glaube, da sind noch nicht alle Folgen online, aber auch da kann man uns hören. Ansonsten auf Social Media sind wir auf Mastodon unter podcast.social at slash at zzd und bei Blue Sky unter at deckeln, hinterlasst uns gerne Bewertungen, auch gerne positive Bewertungen auf den Plattformen eurer Wahl und wir freuen uns dann aufs nächste Mal.
Christoph:
[1:24:43] Alles klar, macht’s gut Tschüss
Music:
[1:24:46] Music
Quellen
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
Zwischen zwei Deckeln findest du auch im sozialen Medium deiner Wahl: Mastodon und Bluesky.
Ich kann euch hier noch das Buch ‚Patient ohne Verfügung‘ empfehlen. Matthias Thöns ist Praktiker und erzähl aus seinem Leben und den Umständen, wie Leben gerettet oder verlängert werden. Vielleicht etwas lebhafter als die Theoretikerin Buys.