In „Against Elections“ kritisiert David Van Reybrouck das herkömmliche Wahlsystem und plädiert für alternative, deliberative Demokratieformen. Ein wichtiger Bestandteil dieser neuen Demokratieformen ist das Losverfahren. Van Reybrouck zeigt in seinem Buch nicht nur, weshalb dieser Ansatz historisch gar nicht unbedingt neu ist, sondern präsentiert einen konkreten Plan, wie er bereits heute umgesetzt werden könnte.
Shownotes
- „Testflug: Erste deutsche Rakete stürzt nach 30 Sekunden ab“ (mdr.de)
- „Wie das TINA-Prinzip der Demokratie schwächt“ (deutschlandfunkkultur.de)
- „Grundzüge der athenischen Demokratie“ (bpb.de)
- „Die Dogenwahl“ (lexikus.de)
- Buch: „Vom Gesellschaftsvertrag“ von Jean-Jacques Rousseau (Verlagswebseite)
- ZZD038: „Anfänge“ von David Graeber und David Wengrow
- ZZD039: „Vom Ende des Gemeinwohls“ von Michael Sandel
- ZZD055: „Die Werte der Wenigen“ von Philosophicum Lech
- ZZD065: „Baustellen der Nation“ von Philip Banse und Ulf Buermeyer
- ZZD082: „Demokratie ohne Gesetze“ von C. L. Skach
- ZZD083: „Im Grunde gut“ von Rutger Bregman
- Podcast „Zeitfragen“: „Mit Bürgerbeteiligungen gegen Demokratiemüdigkeitzu Bürgerräten“ (deutschlandfunkkultur.de)
- Buch: „Short Cuts 1“ mit Texten von Niklas Luhmann (systemmagazin.de)
- Buch: „Systemtheorie III: Steuerungstheorie“ von Helmut Willke (Verlagswebseite)
- Buch: „Crazy Rich“ von Julia Friedrichs (Verlagswebseite)
Transkript (automatisch erstellt)
Music:
[0:00] Music
Christoph:
[0:17] Herzlich willkommen zu Zwischenzwei Deckeln, eurem Sachbuch-Podcast. Ich bin Christoph und habe heute Amanda mit dabei.
Amanda:
[0:24] Hallo.
Christoph:
[0:25] Ja, schön, dass das so klappt. Für mich heute ganz neu. Wir lassen jetzt parallel mal ein Video laufen. Amanda ist da schon etwas erfahrener als ich. Das heißt, wir können uns jetzt tatsächlich sehen. Das ist ganz neu. Habe ich in vielen Jahren Podcast noch nie gemacht. Ich bin gespannt. Also ihr Zuhörenden kriegt kein Video, aber wir beide hoffen jetzt, dass wir mehr, noch interaktiver aufeinander eingehen können. Damit habe ich mich heute Morgen beschäftigt und Amanda, was treibt dich gerade um?
Amanda:
[0:58] Ich muss sagen, ich sehe dich zwar, Christoph, aber du hast die Hälfte deines Gesichtes vom Mikro verdenkt. Ah, hallo.
Christoph:
[1:06] Ja, das stimmt.
Amanda:
[1:09] Ja, also mich treibt ein bisschen mein Kind um, muss ich ehrlich sagen. Deswegen vor allen Dingen in der Nacht. Aber ich versuche, so wenn ich zum Lesen komme, ein bisschen meine Artikelliste abzuarbeiten. Und da ist doch immer mal wieder was Interessantes dabei. Zum Beispiel habe ich einen Space-Newsletter abonniert, zu dem ich jetzt gekommen bin, zu lesen. Und das ist eigentlich noch ganz spannend, was da so im All eigentlich abgeht. Und ich weiß nicht, ich finde das interessant, weil man kennt ja das, wenn man ein Gebiet in einem Gebiet, Expertin oder ich sag mal, wenn man sehr tief in einem Gebiet drin ist, dann kennt man ja die Komplexität davon. Und bei anderen Gebieten blendet man das so ein bisschen aus. Und ich habe jetzt gemerkt, so ja, okay, Space und dann kennt man halt einfach so, keine Ahnung, SpaceX und so ein bisschen, was da geht. Aber dass das natürlich ein hochkomplexes Territorium ist mit Governance, mit Forschung und so weiter, das fand ich wieder so, ah ja, logisch, aber man blendet es irgendwie aus. Es gibt natürlich noch mehr als Elon Musk im Weltall.
Christoph:
[2:10] Ja, ich glaube, gerade wurde irgendeine deutsche Rakete hochgeschossen, bei dem aber auch die Hersteller gesagt haben, die soll, also wir gehen nicht davon aus, dass sie weit kommt, wenn sie 30 Sekunden fliegt und wir ganz viel Datenmaterial haben, ist das super. Das fand ich irgendwie witzig, also sie haben ihren Absturz direkt eingeplant, das fand ich lustig. Ja, ich finde, also diese ganze Weltraumforschung, ich finde schon erstaunlich, welche Ressourcen da so reinfließen. Und ja, ich habe vor zwei Tagen oder so mit meiner Partnerin darüber gesprochen und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es im Großen und Ganzen ein schöner Beweis für die große Neugier des Menschen einfach ist, weil so die direkte Verwertbarkeit erschließt sich bei vielen Dingen ja nicht. Also ja, wenn man sich irgendwelche weit entfernten Galaxien anguckt und überlegt, wo könnte welcher Planet welche lebensähnlichen Bedingungen haben oder wie auch immer, oder erdähnlichen Bedingungen haben, Finde ich das immer sehr spannend und frage mich aber direkt so, ja, okay, und was machen wir jetzt damit? Und denkst du, ja, ich will aber auch nicht, dass das irgendjemand in den Sozialwissenschaften fragt, weil da kannst du das auch bei jedem Forschungsthema fragen. Von daher, ja. Ja, ich beschäftige mich im echten Leben mit sehr viel irdischeren Dingen. Wir haben wieder hier Hausversammlung im Laufe der Woche, weil wir unsere Fassade neu machen müssen, die Fugen müssen neu gemacht werden, jetzt liegen Angebote vor und ja, das ist sehr, sehr irdisch und sehr, sehr konkret und man muss Angebote vergleichen und solche Dinge, ja.
Amanda:
[3:39] Auch wichtig auch wichtig,
Christoph:
[3:41] Aber nicht ganz so nicht ganz so krass irgendwie ja du hast uns heute mitgebracht, das Buch gegen Wahlen ich bin, gespannt, wie das so wird klingt erstmal vom Titel her nicht so sympathisch aber wenn du es mitgebracht hast, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass ich es ganz schlimm finde genau, von David van Raybroek, mein Niederländisch ist sehr schlecht, er ist Niederländer, wenn ich es richtig gelesen habe. Auf der Verlagswebseite steht, er ist Historiker, Ethnologe, Archäologe und Schriftsteller, also alles auf einmal. Das Buch ist schon etwas älter, 2016. Ich bin gespannt, wie man damals die Debatten geführt hat und wie man darauf geblickt hat und was wir da heute jetzt von mitnehmen können. Und es ist im Wallstein Verlag erschienen, der mir gar nichts sagt. Und damit würde ich an dich übergeben. Wenn du uns eine kurze Zusammenfassung geben magst, wäre das super.
Amanda:
[4:38] Im Buch gegen Wahlen entlagt David von Rehbrook die Schwächen des herkömmlichen Wahlsystems. Er zeigt auf, wie die traditionellen Prozesse oft zu einer eingeschränkten politischen Repräsentation und immer gleichen Machtstrukturen führen. Eigentlich ist unsere repräsentative Demokratie nämlich eine gewählte Aristokratie. Um unsere demokratischen Prozesse zu verbessern, schlägt er etwas anderes vor, das Losverfahren. In diesem Aufruf zu mehr Bürgerbeteiligung und politischer Erneuerung zeigt von Rehbrook, weshalb dieser Ansatz historisch gar nicht so neu ist und präsentiert einen konkreten Plan, den wir bereits heute umgesetzt werden.
Christoph:
[5:14] Oh, ich bin gespannt. Das klingt nach so athenischer Demokratie, oder? Ist das das?
Amanda:
[5:19] Kommt auch dahin vor, genau. Ich zeige dir gleich so, unsere Zuhörenden können das leider nicht sehen, aber du siehst jetzt das Cover des Buches, als ich das gelesen habe. Das ist, wie gesagt, schon ein bisschen älter und ich habe das auf Englisch damals gelesen. Das heißt Against Elections und das ist ein rotes Buchcover und im unteren Teil sieht man nur so die Hälfte eines Kopfes einer bestimmten Person mit orangen Haaren, die ein bisschen finster reinschaut. Und deswegen ist mir das auch so aufgefallen, als ich mein Bücherregal wieder neu eingeordnet habe, weil wir natürlich im Moment schon so ein bisschen mit, ich sag mal, Wahlen zu kämpfen haben, nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. In einem Artikel fand ich das ganz nett formuliert. Für Deutschland so nach einem turbulenten Januar und Februar folgt der März. Deswegen dachte ich mir, das Buch kann man ganz gut vorstellen, denke ich, in der aktuellen Zeit.
Christoph:
[6:20] Sehr schön. Ja, dann führ uns doch gerne da rein und erzähl uns, wie das Buch gebaut ist.
Amanda:
[6:27] Mache ich sehr gerne. Das Buch ist eigentlich ein Essay. Es ist ziemlich gut strukturiert aufgebaut. Er macht das so, dass er sagt, zuerst stellt er die Symptome vor, dann die Diagnosen, dann die Pathogenese und am Schluss eigentlich die Therapie.
Christoph:
[6:46] So und die Symptome.
Amanda:
[6:48] Da beginnt er eigentlich damit, dass er sagt, ja also im Moment oder damals schon kommt es eigentlich zu diesem Verlust des Vertrauens in die Demokratie. Und es ist so ein bisschen paradox. Also er sagt, früher hatte man wie so Apathie in die Politik. Oder es gab Menschen mit apathischen, Apathie ist vielleicht nicht so ein gutes Wort, aber einfach so, ich sage mal, man macht nichts für die Politik, aber man vertraut, dass alles funktioniert. Und dass die Gewählten oder die Repräsentanten das schon gut machen. Und das ist im Moment wie so umgekehrt. Man hat eigentlich totale Begeisterung für Wahlen. Und das ist alles eine Hysterie, dieses ganze Wahlmaschine. Und gleichzeitig hat man aber großes Misstrauen in die Politik. Das ist wie so ein Paradox.
Christoph:
[7:43] Was meint er mit Begeisterung für Wahlen?
Amanda:
[7:47] Ich glaube schon so dieses Ganze auch den Hype, also Wahlen ist schon, es wird extrem inszeniert, es führt zu sehr viel Aufmerksamkeit, also es ist auch so ein bisschen das politische Geschehen oder die Regierungsarbeit wird schon ein Stück weit auch zurückgestellt, wenn Wahlen sind oder ein Wahlkampf ist. Also es dominiert sehr einfach die, der Prozess des Wählens dominiert extrem das Geschehen so.
Amanda:
[8:18] Und das ist wie, alle gehen da ein bisschen mit. Und gleichzeitig ist eben, ich sag mal, der Output oder in die Demokratie sinkt eigentlich das Vertrauen. Das, was die PolitikerInnen machen dann auch, dass man das gut findet. Das sagt er, ist so ein bisschen paradox. Und er sagt dann auch, ja klar, das ist halt auch ein Problem der Effizienz und Legitimität. In seinem Verständnis sind das halt die zwei Dinge, die natürlich immer gegeben sein müssen in der Demokratie und die sich aber auch so umgekehrt proportional zueinander verhalten. Also je mehr Effizienz, ich sag mal in der Diktatur, wenn eine Person bestimmt, dann ist es ziemlich effizient, weil klar, die Prozesse sind kurz und gleichzeitig hast du natürlich am wenigsten Legitimität hier. Und umgekehrt in einer sehr direkten Demokratie, beispielsweise auch bei uns in der Schweiz, da sind die Prozesse sehr lang. Es dauert, bis mal was in Gang kommt, dafür hast du eine hohe Legitimität.
Christoph:
[9:19] Also spannende Gleichsetzung finde ich von Effizienz und Kürze des Entscheidungswegs.
Amanda:
[9:25] Das habe ich jetzt gemacht.
Christoph:
[9:27] Ja, okay, alles klar, na gut. Ich bin mir nicht so sicher, ob ich da unbedingt mitgehen würde. Also meine sehr begrenzte Perspektive auf die Schweiz ist zum Beispiel, ich hätte eher gesagt, naja, okay, ihr habt halt viele Abstimmungen, aber das ist ja zumindest inhaltlich relativ kurz. Es ist nicht so dieses, man verhandelt alles sofort ganz riesig in einer Riesenwahl, man bestimmt für die nächsten vier Jahre, sondern so, jetzt ist wieder ein Thema, ihr könnt euch wieder äußern, jetzt ist wieder ein Thema, da könnt ihr dann wieder alles. Also ich muss mich ja hinter so einer Gesamtposition von einer Partei quasi versammeln und sagen, ja gut, das trage ich jetzt für die nächsten vier Jahre halt mit, ich teile eh nicht alles bei einer Partei, das ist dann halt so. Und bei euch kann man ja viel kleinteiliger entscheiden. Und da hätte ich jetzt gar nicht unbedingt gesagt, dass das so lang, also es kommt mir gar nicht so langwierig eigentlich vor. Ich kann schon verstehen, warum man irgendwann vielleicht von Wahlen an sich dann ermüdet ist oder so. Aber ja, weißt du, was ich meine?
Amanda:
[10:26] Ja, ich denke einfach, wenn es um den Prozess geht, dann ist es schon sehr lange. Ich war auch eine Zeit lang politisch aktiv. Und da ist schon, wenn du ein Thema auf die politische Bühne bringen möchtest, dann brauchst du drei, vier Jahre Vorlaufzeit. Und das ist halt schon lange und da musst du auch, dann sind auch sehr viele strategische Gedanken, ist es überhaupt relevant oder was kommt noch gleichzeitig dazu und es ist nicht so, wir haben jetzt ein dringendes Problem und dann kann man wie was machen, weil der ganze Prozess bis dann und dann Unterschriften und so und bis das dann ausformuliert und wirklich vor das Volk kommt, darf das echt lange. Ich weiß nicht, ob das in anderen Ländern schneller geht, aber ich sehe nur, ich verstehe den Punkt, dass wenn du natürlich per Dekret regieren kannst, ist das definitiv schneller, als wenn du da immer was vorbereiten musst, damit alle abstimmen können.
Amanda:
[11:15] Ja, wie gesagt, also das mit der Dauer, das habe ich ein bisschen reingebracht, aber grundsätzlich Effizienz und Legitimität ist so ein bisschen das, was er sagt, oder das greifen die Personen auf, wenn sie der Demokratie irgendwie den Niedergang attestieren und dazu gehört natürlich auch, dass zum Beispiel die Parteien viele Mitglieder verlieren. Es ist schwierig den nachwuchs zu rekrutieren eben politiker innen haben profilierungs drang also man versucht man ist immer darauf ausgerichtet dass man wieder gewählt werden muss sollte man hat sehr viele wechselwähler das war wohl früher auch nicht so parteizugehörigkeit ist auch was im Sinken
Amanda:
[12:07] Ist, offenbar in der EU, seien es damals, als er das Buch geschrieben hat, ich glaube weniger als 5% Parteizugehörigkeit, ich weiß, in der Schweiz ist es ungefähr 7, denke ich, also Prozentpersonen, die einer Partei angehören, ich gehe davon aus, in Deutschland ist es ähnlich.
Christoph:
[12:26] Ja, wir haben auf jeden Fall noch ein starkes Ost-West-Gefälle da mit drin, aber ja, genau, Genau, Parteizugehörigkeit wie Mitgliedschaft in allen Großorganisationen ist im Rückzug. Ob du jetzt Kirchen, Parteien, Gewerkschaften nimmst, ja, Mitgliedschaftszahlen in Großorganisationen sind einfach im Sinken und das vereint alle großen Organisationsstrukturen, würde ich sagen. Und genau, ja. Ich hatte einen Dozenten, der großer Fan von WechselwählerInnen war, weil er meinte, wir kommen endlich dem Modell eines rationalen Wählers näher. Also, wenn du einfach nach Parteizugehörigkeit oder meine Eltern haben immer schon die und die Partei gewählt und ich wähle, das einfach weiter wählst, so dann setzt, also dann, dann triffst du ja gar keine Abwägung mehr. Und er war Fan davon und meinte, die Leute, die von Weizewahl springen, sind doch eigentlich die, die überhaupt Bewegung in das Ganze bringen und sich offensichtlich mit dem Thema überhaupt auseinandersetzen. Was heißt auseinandersetzen? Oder die Auseinandersetzung in ihre Wahlentscheidung fließen lassen. Das fand ich irgendwie spannend als Argument.
Amanda:
[13:31] Ja, ich sehe den Punkt, finde aber gleichzeitig führen ja auch diese Zunahme an WechselwählerInnen, führt ja auch dazu, dass es halt extrem umkämpft ist, dass dann im Wahlkampf auch einfach sehr viel Polemik stattfindet und man eben, man sieht dann an allen Enden an diesen WechselwählerInnen gefühlt, um sie dann doch noch ins eigene Boot zu bekommen und ja, kann ja auch, kann auch dann ein bisschen zu einem Problem werden irgendwie. Van Rehbruck macht im zweiten Teil oder im zweiten Kapitel, geht er auf die Diagnosen ein oder auf mögliche Diagnosen und macht das so schrittweise. Und das erste ist so, Politiker sind schuld an diesem Niedergang der Demokratie. Und da sagt er aber auch, klar, das kann man so sagen und wenn man dann populistische PolitikerInnen nimmt und deren Argument, dann wäre es ja eigentlich, ja gut, es braucht einfach eine bessere oder volksnähere Volksvertretung, aber die Frage ist halt, ja, okay, man indiziert, ich sag mal, neue PolitikerInnen ins Parlament oder in die Regierung, wird es dann tatsächlich besser? Also das ist so ein bisschen die Frage, wenn man einfach alles erneuert, aber alles andere gleich bleiben lässt, ob das dann tatsächlich besser wird und er sagt dann, na gut, okay, erster Schritt, Politiker sind schuld, naja, okay, zweiter Schritt, vielleicht ist die Demokratie schuld, also wie sie aufgesetzt ist und dann sagt er, ja,
Amanda:
[14:55] Irgendwie schon, weil die Demokratie so ein bisschen zu einer Technokratie geworden ist. Also es ist so, in den 90er Jahren, sagt er, ist das aufgekommen, insbesondere ein bisschen auch mit diesem Tina-Prinzip, there is no alternative, so im Sinne von, die Lösungen sind alle da, wir müssen sie eigentlich nur umsetzen. Also es ist nicht mehr so dieses Abwägen oder dieser Einbezug von Meinungen, sondern eigentlich, ja, wenn man die ExpertInnen fragt, dann ist eigentlich alles klar, was zu tun ist und das muss man eigentlich nur umsetzen. Und das ist so ein bisschen das Umgekehrte, was die Populisten oder PopulistInnen machen, sodass sie die Effizienz eigentlich vor die Legitimität stellen. Also wenn man sagt, ja, es braucht eine volksnähere Volksvertretung, dann sagt man ja eigentlich, wir brauchen mehr Legitimität in der Regierung, im Parlament und die TechnokratInnen machen das Gegenteil, sagen ja, eigentlich müssen wir einfach die Lösungen endlich mal umsetzen, effizient und dann folgt die Legitimität eigentlich im Nachgang.
Christoph:
[15:58] Das ist ja auch viel dieses Follow-the-Science-Wunschdenken, bei dem ich mich immer frage, ja, welche Science? Also das ist nicht so eindeutig und irgendwie ist es albern, das anzunehmen und es ist irgendwie ein ganz verqueres Wissenschaftsverständnis. Also nur weil man sich darauf einigen kann, dass es die Klimaerwärmung gibt, heißt es nicht, dass glaube ich in den Wissenschaften klar ist, was jetzt genau der richtige Weg zum Umgang zum Beispiel wäre und das sind halt Dinge, die politisch verhandelt werden müssen oder während Corona, weiß ich noch, dass meine damalige Chefin immer gesagt hat, ey, das, was wir jetzt machen, gibt uns voll den Bildungsknick, wenn wir die Kinder jetzt aus den Schulen rausnehmen und die im Homeschooling haben, so das ist keine Option und trotzdem ist das, was gelaufen ist, natürlich ein Follow the Science gewesen. Und ja, ich habe im direkten Umfeld auf jeden Fall eine andere Science gehabt, die gesagt hat, oh, vielleicht ist das gar nicht so clever, was wir machen.
Amanda:
[16:53] Ja, ja, absolut. Ich glaube, manchmal wird es auch ein bisschen, oder es kommt mir so vor in Diskussionen, dass das auch einfach gleichgesetzt wird. Und ich glaube schon, das Wissenschaftsverständnis, zumindest von den WissenschaftlerInnen, die ich kenne, ist schon, dass man halt eigentlich nicht Empfehlungen ausgibt. Das ist halt Sache der Politik oder Sache von Expertinnen und Räten, was auch immer, aber eben nicht grundsätzlich, also Wissenschaft ist nicht dafür gemacht, Politik zu machen. Naja, auf jeden Fall, das ist so das und er geht dann weiter, okay, wenn es nicht die Demokratie ist, vielleicht liegt das Problem an der repräsentativen Demokratie und da bringt er als Beispiel die Occupy Wall Street und das wusste ich nicht, dass das ursprünglich eigentlich, das hat sich formiert, gar nicht unbedingt gegen die ökonomischen Probleme, sondern ich glaube, das ging darum, dass die USA wieder mal sich nicht auf eine Schuldenobergrenze einigen konnten. Und dann droht halt so der absolute Stillstand. Und was sie eigentlich skandiert haben, ist so, our representatives aren’t representing us. Also es ist eigentlich auch ein Demokratie-Legitimationsproblem.
Amanda:
[18:04] Und dort kritisiert er dann aber, dass die so ein bisschen selbstgefällig geworden sind und eigentlich den Prozess, diese Grassroot-Bewegung höher gewichtet haben als den Output. Also er sagt dann zum Beispiel, auch dass das natürlich voll toll ist, was da passiert ist, aber dass man am Schluss nichts Konkretes davon hatte, sondern dass sie sich so ein bisschen in diesem,
Amanda:
[18:28] Ja, der Prozess ist die Botschaft, dass sie ein bisschen da stecken geblieben sind.
Amanda:
[18:34] Und deswegen geht er dann noch einen Schritt weiter und sagt, ja, vielleicht ist das Problem ja die elektoral repräsentative Demokratie. Und das ist so ein bisschen, was wir vorhin schon angesprochen haben. Er sagt dann ja, Wahlfundamentalismus nimmt er als Term, dass wir eigentlich die Gewählten missachten, aber Wahlen per se vergöttern. Das ist ein bisschen überspitzt gesagt. Oder eben auch dieses Wahlfieber, also dass wir so in eine Hysterie kommen, wenn es um Wahlen geht, dass die Medien das auch entsprechend befeuern. Und ganz grundsätzlich sagt er, wenn wir aktuell von Wahl oder von Demokratie sprechen, dann meinen wir eigentlich Wahlen. Und das finde ich ein ganz interessanter Punkt, weil da habe ich mich selber ertappt. Das stimmt. Wenn ich an eine Demokratie denke, dann ist das meistens ein Nationalstaat, der freie Wahlen abhält.
Amanda:
[19:33] Und er sagt auch, das ist ja auch so eigentlich in den Menschen, wie sagt das, die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, so ist das darin formuliert, dass man eben … Dass man freie allgemeine Wahlen, ich glaube so ist es da drin, abhalten muss. Und er sagt, das ist speziell, da sonst sind eigentlich diese Gesetze nicht so spezifisch formuliert, wie was zu tun ist. Also weshalb eine Demokratie mit freien Wahlen assoziiert werden muss, muss nicht selbstverständlich sein. Und das fand ich einen sehr interessanten Gedanke.
Christoph:
[20:10] Ich will noch einmal einen Schritt zurück, woher, also äußert er, also ich meine, wir haben ja auch in den Demokratien, wenn es jetzt keine Wahlen auf Bundesebene, wie wir hier in Deutschland sagen, sind, weiß ich, also ich sehe die mediale Befeuerung von Wahlen, und ich sehe auch, dass bei interessierenden Menschen eine hohe, da ist eine hohe Auseinandersetzung mit dem Thema dann da und Wahlergebnisse interessieren auch stark, aber es gibt ja auch sehr, sehr viele Menschen, die sich offenbar nicht für Wahlen interessieren und nicht wählen gehen. Sagt der dazu irgendwas? Also weil Ich weiß noch nicht genau, ob ich die Ebene von dieser Wahleuphorie auf zumindest jeder strukturellen Ebene teilen würde.
Amanda:
[20:56] Also ich glaube, er meint das eher aus einer theoretischen Perspektive. Also wenn wir, er sagt auch angenommen oder nicht angenommen, wenn wir Demokratie sozusagen exportieren oder es gibt ja sehr viele Staaten, ich sag mal, die in diesem Umwandlungsprozess sind, dann ist das, was wir eigentlich exportieren, sind Wahlen. Wir haben keine Alternative dazu, was wir unter Demokratie verstehen. Wie das dann konkret sich ausgestaltet in den Ländern und mit Wahlfieber etc., das ist was anderes. Aber er sagt einfach, ganz grundsätzlich ist es schon so, dass wir, wir stellen dieses Wahlsystem nicht in Frage. Oder vielleicht in den Einzelheiten. Okay, wie viel Prozent ist jetzt oder wie repräsentativ ist das jetzt genau? Kann man da ein bisschen was dran schrauben, aber nicht per se, ich sag mal, Wahlen abschaffen. Das ist nicht ein Gedanke, den wir haben, wenn es darum geht, die Demokratie zu reformieren.
Christoph:
[21:55] Ja.
Amanda:
[21:57] Ja. Und ich fand, wie das stimmt, und ich wäre jetzt auch persönlich auf die Idee gekommen, wie man das machen könnte. Und er führt dann, wie du schon eingangs erwähnt hast, in seinem dritten Kapitel, in der Pathogenese, führt er dann an, wie das überhaupt dazu gekommen ist, dass das für uns so selbstverständlich ist. Und er beginnt dann auch mit der athenischen Demokratie. Also dass da natürlich das ganz anders aufgesetzt war. Man hatte diese drei Organe mit dem Rat der 500 und dem Volksgericht und der Volksversammlung. Und die meisten Ämter in Athen wurden per Los zugeteilt. Also da kommt wie dieses Losverfahren zum ersten Mal ins Spiel, auf das er dann auch nachher aufbaut. Er sagt, also ich kann es vorwegnehmen, im Endeffekt plädiert er eigentlich für ein Los-System, was nicht die Wahlen ersetzt, also dieses gewählte repräsentative System soll dadurch ergänzt werden. Das ist eigentlich sein Plan mit dem Buch. Und in Athen hat das eben ganz gut funktioniert. Man hatte die Ämter auch nur für eine kurze Zeit eigentlich inne. Und was er sagt, es ist auch relevant oder war relevant, ist dieses Verständnis von Freiheit. Also dass Freiheit eigentlich als Gleichgewicht zwischen Regieren und Regiertwerden verstanden wird.
Christoph:
[23:26] Also nicht, ich kann machen.
Amanda:
[23:28] Was ich will, sondern eben es ist wie so, es muss immer in Kombination gedacht werden. Und man hat auch eine gewisse, wie sagt man, ja Verpflichtung, also sich regiert zu werden, aber halt auch sich dafür einzusetzen, dass man andere regieren soll und mit einem guten Output. Diese Tugend natürlich, die spielt da auch immer sehr mit. Er macht dann einen Schritt historisch nach Venedig und Florenz, in diesen italienischen Staaten im Mittelalter war das, ich denke so 16. Jahrhundert, 15.
Christoph:
[24:10] Jahrhundert ungefähr. Ja, irgendwo so am Übergang zur Neuzeit.
Amanda:
[24:13] Genau, so Renaissance vielleicht sowas. Auf jeden Fall und das ist auch interessant, weil ich wusste auch nicht, woher der Name kommt. Und er hat dann dieses System, stellt er da vor, wie das stattgefunden hat. Und der Doge in Venedig, der wurde wohl auch mittels Losverfahren ausgewählt. Und zwar hatte man da so Holzkugeln, eine Holzkugel, eine Ballotta. Und dort standen die Namen drauf und die wurden dann so gemischt. Und dann ging jemand zum Dom und hat sich da irgendeinen Knaben geholt, zwischen acht und zehn, so ein Junge. und der war dann halt der Balljunge und der hat dann diese Kugeln ausgewählt. Und das hat sich dann wiederholt, also dann wurden irgendwie 30 Personen ausgelost und die haben dann das Ganze wieder mit Wahl irgendwie auf 40 erweitert, dann wurde wieder ausgelost und dass nur 12 übrig geblieben sind und so weiter in 10 Phasen, also immer auslosen und dann wieder zu Wahl. Und am Schluss hat man dann den Dogen gewählt. Und lustigerweise ist, also diese Ballotta, das ist eigentlich auch die Namensgebung für das englische Ballot.
Christoph:
[25:27] Ja, ja, ja.
Amanda:
[25:29] War mir absolut nicht klar, dass es da einen Zusammenhang hatte. Und erstaunlicherweise hat man dann rausgefunden, dass, obwohl das ziemlich, es klingt so ein bisschen arbiträr, ein bisschen überkomplex, in zehn Phasen da immer rauslosen und wieder wählen. Und ein Computerwissenschaftler hat dann rausgefunden, dass so tatsächlich auch die populären Kandidaten gewonnen haben, aber eben auch Minderheiten irgendwie eine Chance hatten, da gewählt zu werden und so weiter. Also es war eigentlich ganz ausgeklügt und hat offenbar ganz gut funktioniert.
Christoph:
[26:03] Spannend, okay. Das musste ich als Data-Ingenieur natürlich vermutlich begeistern, dass man sowas noch rekonstruieren kann.
Amanda:
[26:10] Ja, finde ich schon sehr, sehr cool. Ja, also sein Fazit ist so ein bisschen, dass Losverfahren eigentlich eingesetzt worden sind. Das war nicht, das ist jetzt nicht eine Idee, die er neu hatte, sondern das ist historisch durchaus, war das vorhanden. Das hat auch Stabilität garantiert, wurde aber wie gesagt immer kombiniert eigentlich mit auch gewählten Prozessen und spannend fand ich auch, dass Rousseau, also er sagt auch im Buch, also die Idee für das Buch gab ihm Rousseau in dem Buch über den Gesellschaftsvertrag, wo er eben auch über dieses Losverfahren spricht. Und die Meinung damals war schon, dass eben in der Demokratie oder in einer wahren Demokratie, was auch immer das heißt, ist ein Amt eigentlich kein Vorteil, sondern eine drückende Last. Und entsprechend ist es auch gerecht, wenn das ausgelost wird. Also es ist nicht… Ja, es ist halt nicht so wie jetzt, dass man sich das unbedingt unter den Nagel oder die Macht unter den Nagel reißen möchte, wobei ich finde auch jetzt noch sehr viel Respekt habe für Personen, die das freiwillig machen, muss ich schon sagen.
Christoph:
[27:23] Ja, absolut. Und also was ich erstmal irgendwie sehr gut finde, ist die Verkürzung von Demokratie zu Wahlen zu benennen und dagegen anzuargumentieren. Das finde ich erstmal sehr, sehr gut, weil offensichtlich ist Demokratie lebt von Engagement. Und gerade auf so Kommunalebene, wenn du irgendwie, ich weiß nicht, ich kriege es hier mit beim Thema kommunale Wärmeplanung, also hier in Niedersachsen müssen die Kommunen relativ zügig einen Fahrplan erstellen, wie die Wärmeversorgung der Haushalte in der Kommune dekarbonisiert werden muss bis 2040, da wollen wir klimaneutral hier sein. Und das machen dann jetzt halt ehrenamtliche BürgermeisterInnen, die sich damit beschäftigen müssen. Und das ist jetzt nur so ein kleiner Ausschnitt, den ich halt gerade verfolge und kenne. Entscheidungen dieser Tragweite werden da ja andauernd gefällt und gerade auf der Ebene, wenn du nicht mit Chauffeur und Sicherheitspersonal und so das machst, sondern auch noch einen normalen Beruf nebenher haben musst, weil das nicht groß vergütet wird, das nötigt mir sehr, sehr viel Respekt ab. Das ist wirklich großartig, dass Leute sich überhaupt so einbringen. Also ja, man kann sich ja fast fragen, was muss einen reiten, um zu denken, ich mache das. Also das ist ja rational kaum erklärbar.
Amanda:
[28:46] Total. Ja, das wird ja auch später aufgreifen und sagen, dass die meisten Vorschläge, wie man sowas gestalten kann, auch immer mit einer entsprechenden Vergütung einhergehen müssen. Du kannst halt nicht von den Personen erwarten, dass sie das gratis machen, ne? Ja, er sagt dann oder er führte weiter aus, dass dieses Losverfahren dann eigentlich im 18. Jahrhundert eben durch Wahlen ersetzt wurden, durch eigentlich ein aristokratisches Verfahren. Und interessant fand ich, es ging dann um die amerikanische und französische Revolution und die sind ja Republiken. Also es ist wie so, die haben sich auch als Republik genannt und er sagt dann, warum ist dieses Losverfahren plötzlich verschwunden, es ist nicht so ganz klar, warum das nie mehr danach aufgegriffen worden ist und seine Aussage ist eigentlich, dass der Grund war, dass man das gar nicht wollte, man hatte Angst vor dem Volk.
Christoph:
[29:47] Ja.
Amanda:
[29:48] Also man hatte, also man wollte eigentlich nicht die Aristokratie durch eine Demokratie ersetzen, sondern eigentlich eine erbliche Aristokratie durch eine gewählte Aristokratie ersetzen. Es war so ein bisschen das.
Christoph:
[30:01] Ich glaube, das Argument habe ich auch schon mal gehört, quasi die Sorge davor, dass wenn man einfach irgendwen da reinlost, dass dann nicht mehr die reichen Prozent oder Aristokratie oder wie man es nennen möchte, das machen, die natürlich eh gewählt werden, weil wen wählt man, wenn man, ja, man wählt die Leute, die man kennt, man wählt die Leute, die sich vielleicht ausdrücken können, was auch immer, aber halt nicht irgendwen, ja.
Amanda:
[30:25] Ja, ganz genau. Und das ist auch das Argument. Also man muss, um gewählt zu werden, schon gewisse Tugenden eigentlich an den Tag legen. Also ob das, wie du gesagt hast, sei das jetzt irgendwie Redegewandtheit oder was auch immer. Aber es gibt ja schon diese Vorselektion. Und da haben wir schon so ein starkes, meritokratisches Element drin. Also es ist natürlich nicht, ja, es ist natürlich klar, wer dann gewählt werden wird. Insbesondere in der Gesellschaft, die noch sehr ungleich, ich sag mal, Bildungschancen hatte und so weiter. Ja, er sagt dann, am Ende oder im 19. und 20. Jahrhundert kommt es dann zu einer Demokratisierung von Wahlen und das sei dann ein Scheinprozess gewesen. Ähm …
Amanda:
[31:10] Sei sozusagen zu einem schleichenden Wechsel der Begriffe gekommen, weil man dann diese Wahlaristokratie, die man eben jetzt in diesen Republiken hatte früher, eigentlich zunehmend als repräsentative Demokratie benannt wurde. Also die Begriffe wurden eigentlich einfach ausgetauscht, ohne dass sich daran wirklich oder dass sich am unterliegenden Prozess wirklich was geändert hat. Und er bringt dann einen Text von de Tocqueville hervor oder er zitiert den wo ich fand das sehr interessant, weil ich musste das auch im Studium lesen und er beschreibt das wirklich, also diesen Text könntest du jetzt lesen und es würde genau auf die heutige Zeit zutreffen eben auch dieses Wahlfieber und diese Regierungslähmung und auch schon die Medialisierung von Wahlen und so weiter und Und er sagt dann, also Van Rehbruck sagt dann, ja, also ab 1850 wurde zwar für mehr Demokratie gekämpft, aber nicht eigentlich für, nicht gegen Wahlen, also nicht gegen den Wahlprozess, sondern einfach nur immer für mehr Wahlrecht. Also ab, ich sag mal, Mitte des 19. Jahrhunderts hieß es immer, wenn man sich für mehr Demokratie einsetzte, hat man sich eigentlich immer für die Ausweitung des Wahlrechts eingesetzt. Aber die Wahlen per se standen nie mehr zur Debatte, dass man das eigentlich ändern könnte.
Amanda:
[32:37] Und das führte natürlich sehr wohl zu einer Demokratisierung von Wahlen, weil Frauen wurden irgendwann eingeschlossen, also das Wahlrecht früher in den USA war natürlich Sklaven auch davon ausgeschlossen und so weiter. Also es wurden immer mehr Personen zugelassen oder wahlberechtigt, aber der Unterschied zwischen Regierenden und Regierten blieb dennoch eigentlich immer vorhanden. Also dieses aristokratische Element wurde dadurch nie abgeschafft oder nie abgeschwächt.
Amanda:
[33:11] Ja, und er sagt auch, eben dieses Losverfahren, das hat wohl auch, hatte so ein bisschen einen negativen Beigeschmack, weil man zu dieser Zeit auch die Armee wohl so rekrutiert hatte. Also man loste das aus und viele wohlhabende Jungen oder Familien, die haben halt dann sich einfach, ich sag mal, sich freigekauft davon. Und deswegen war das so, in der allgemeinen Bevölkerung war das eher so ein bisschen skeptisch beäugt und deswegen hatte das auch wirklich keinen guten Ruf, also dieses Losverfahren und man hat das dann überhaupt nicht auch auf Wahlen dann angewendet.
Amanda:
[33:56] Ja, das ist so seine Pathogenese. Und dann kommt er eigentlich zur Therapie. Und im Kapitel Therapie bringt er vor allen Dingen ein paar Fallstudien, wie dieses Losverfahren in der heutigen Zeit auch angewendet worden ist und was für Ergebnisse das gebracht hat. Und er sagt auch, ja früher es gab durchaus natürlich Argumente, warum das nicht angewendet werden konnte, zum Beispiel, weil Personen eben nicht lesen konnten zum Beispiel oder weil man keine guten statistischen Zahlen über die Bevölkerung hatte, wenn man das an Losverfahren einsetzt, muss man natürlich, ich sag mal den, wie ist das Wort, das korrekt, Zensus?
Christoph:
[34:44] Ja, Zensus.
Amanda:
[34:46] Ja, Zensus, man muss natürlich wissen, wer wo lebt, Man muss auch Möglichkeiten haben, irgendwo hinreisen zu können. In einem großen Land mit vielleicht schlechter Infrastruktur sind die Personen einfach auch nicht so mobil. Da spricht alles gegen dieses Verfahren und spricht auch für Wahlen. Und er sagt halt, ja, heute ist das halt nicht mehr unbedingt gegeben. Das sind alles Hindernisse, die man überwinden könnte. Und er zitiert dann einen Forscher, Fischkin, der wohl 1988 in The Atlantic einen Artikel veröffentlicht hat, wo er Kritik übte an dem US-System und den Präsidentschaftskandidaten und gesagt hat, ja, ich glaube, das ist auch heute noch so, wenn man den Kandidaten setzt, dann macht man das ja in verschiedenen Staaten zuerst. Und die setzen dann so ein bisschen einen Marker. Also wenn man New Hampshire gewinnt, dann hat das so ein bisschen Strahlkraft auch, was dann weiterkommt und auf die anderen Staaten und er sagt, das ist eigentlich überhaupt nicht, das ist natürlich eine Verfälschung des Prozesses, das ist nicht unbedingt legitim, das so zu machen und er schlägt dann vor,
Christoph:
[36:00] Dass man. Im Sinne von so einer Fahrtabhängigkeit, weil so klar ist, wenn man schon vier Bundesstaaten gewonnen hat, ist eher, also dann wird der fünfte sich einfach einreihen ohne. Korrekt. Ja, okay.
Amanda:
[36:41] Ja, und er nennt dieses und er bringt dann zum ersten Mal wohl dieses Wort ins Spiel ein deliberatives Verfahren. Also das ist nicht, heute kennen wir das Wort, aber in diesem Zusammenhang war das wohl neu und führte dann auch zu diesem deliberative turn in den Politikwissenschaften. Oder dass man BürgerInnen dazu ermächtigen sollte, solche Entscheidungen treffen zu können, aber eben nicht einfach sie im Stich lassen, sondern man soll ihnen auch dabei helfen. Also es werden ihnen Expertinnen zur Seite gestellt, man soll sie schulen und so weiter, also dass sie auch wirklich einen informed consent, wie man das auf Englisch auch sagt, machen können. Also eine informierte Entscheidung treffen und dann auch, ja, ich sag mal, guten Output generieren kann. Und Fischkind konnte dieses Experiment dann auch zehn Jahre später wirklich durchführen. Und ja, wie gesagt, hat er sehr gute Ergebnisse damit. Also es wurde sehr, sehr positiv aufgenommen und hat dann auch in anderen Ländern so ein bisschen den Hype für Bürgerbeteiligung ausgelöst. Also in Deutschland waren das wohl so die Planungszellen, das war schon ein bisschen früher, glaube ich, in den 70er Jahren hatte man das und eben auch in ganz vielen anderen Ländern.
Christoph:
[38:11] Was ich mich die ganze Zeit bei Losverfahren frage, ist, wie geht man mit funktionaler Differenzierung um? Also, wie gut kann man Leute aus ihrem Leben reißen, egal wie man das letztlich umsetzt, um sie auf politische Teilhabe zu verpflichten, ja letztlich? Also das wirft uns doch alles durcheinander also unsere Gesellschaft, also wie bauen wir das ein, sodass das gut funktioniert also ich ja, ich kriege das bei, also ich finde Bürgerräte als Konzept spannend, ich weiß nicht, ob ihr das habt, das sind glaube ich Ideen davon, das irgendwie einzubauen, wir haben jetzt in Deutschland ein paar gehabt, da wird halt gelost und dann, werden BürgerInnen eingeladen eben zu Themen zu diskutieren Und man probiert danach, ich weiß gar nicht welchen Kriterien, mindestens Geschlecht, Bildungsgrad und so weiter auch ungefähr die Bevölkerungsstruktur abzubilden. Und man kann eben offensichtlich auch ablehnen, wenn man gelost wird. Und dann, wenn man aber zusagt, dann ist das, glaube ich, richtig heftiger zeitlicher Aufwand. Was ich ja aus so einer Engagementperspektive finde, ich finde das ja super. Aber ja, ich weiß halt nicht genau, wie weit man das treiben kann. Das ist für mich so der Knackpunkt dabei.
Amanda:
[39:32] Ja, ich gehe da voll mit. Ich glaube auch, dass das extrem schwierig ist. Ein Argument ist immer die gute Vergütung natürlich. Also man muss wie die Menschen da, man muss ihnen was bieten, wenn man sie schon aus dem Arbeitsalltag rausnimmt. Das andere sind halt Sanktionen, wie man das auch in gewissen Ländern kennt, wo man Wahlpflicht hat. Das gibt es ja schon, dass man dann, also ich kenne das zum Beispiel, Ich glaube, in Brasilien ist es so, dass wenn du wiederholt nicht zur Wahl gehst, dann werden gewisse administrative Prozesse blockiert. Du kannst dann beispielsweise keinen Pass beantragen oder so. In der Schweiz gibt es nur einen Kanton, der das hat. Im Kanton Schaffhausen, da muss man so einen symbolischen Betrag von sechs Franken zahlen, wenn man nicht zur Wahl geht. Ja, es gibt dann wahrscheinlich Abstufungen.
Christoph:
[40:27] Ja, weil ich kenne, glaube ich, auch nur diese monetären Sanktionen. Ich glaube, in Belgien ist es auch so, wenn ich mich richtig aus meinem Studium erinnere. Und da hatte ich auch das Gefühl von, sind vielleicht mehr als sechs Franken, aber okay, wenn es so ein paar Euro sind, so, ja, mein Gott. Aber natürlich, also Blockierung administrativer Prozesse ist ja auch nicht erstmal monetär aufzuwiegen. Also keinen neuen Pass bekommen kann ja im Zweifel viel teurer sein, als, keine Ahnung, 30.000 Franken, Euro, was auch immer zu bezahlen. Also wenn du diesen neuen Pass halt brauchst. Also das ist, finde ich, sehr interessant, ja.
Amanda:
[41:00] Ja eben, also es ist die Frage, willst du das so, also willst du eher in die Zwangsrichtung gehen oder appellierst du halt auch an die Selbstverantwortung der BürgerInnen, wenn du halt eine gute Demokratie aufbauen möchtest. Es spielt ja beides ein bisschen mit rein. Was ein bisschen dafür spricht, ist auch, wo das Losverfahren ja weit, weit angewendet wird, ist dieses Laiengericht. Und dort wird, also es zeigt sich schon, dass die Personen, die da ausgelost werden, extrem fokussiert und auch sehr, ja, einfach sehr, wie sagen wir das, sehr.
Christoph:
[41:43] Verantwortungsvoll?
Amanda:
[41:43] Ja genau, verantwortungsfrei das Amt übernehmen und das auch machen. Also es gibt es ja schon eigentlich in diesem Zusammenhang, aber man überträgt es halt wenig auf die Politik. Aber ja, wie es konkret ausgestaltet werden sollte, ist natürlich nicht ganz klar. Auf jeden Fall wurden diese Experimente schon durchgeführt und er zitiert da verschiedene Ansätze in Kanada, eines in Island und in Irland, glaube ich. Und da ging es immer um Änderungen der Verfassung. Also da sollten BürgerInnen zusammenkommen und darüber diskutieren, was für Verfassungsänderungen möglich sind. Also eigentlich wie man das System reformieren könnte.
Amanda:
[42:30] Und auch da ist die Rekrutierung, hat meistens in drei Phasen stattgefunden. Also man hat zuerst ausgelost eine gewisse Anzahl Personen, die konnten sich dann selbst ernennen oder selbst selektieren, ob sie Lust hatten, da mitzumachen. Und dann wurde nochmal ausgelost, dann irgendwelche Quoten beachtet, sodass es so eine repräsentative Stichprobe auch war. Und dann ging es über eine Schulungsphase, wo sie mit Expertinnen sich beraten konnten, konsultieren und so weiter und am Schluss eine Beschlussfassung. Und dann haben sie natürlich zusammen diskutiert eben und das erarbeitet und am Schluss einen Beschluss gefasst. Und auch da hat man gemerkt, dass die Berichte eigentlich extrem gut geschrieben, sehr nuanziert waren. Also das hat eigentlich sehr gute Ergebnisse gebracht in all diesen Formen. Aber kein einziges, also das ist aufgefallen, kein einziges dieser Prozesse oder diese Experimente hat dann tatsächlich einen Einfluss auf die Politik gehabt. Und ich habe in Erinnerung, ich habe mir das auch in einem Doc über Deutschland gesehen, dass das ein Problem war, dass diese Bürgerräte halt dann, es waren dann einfach Empfehlungen, aber es war nicht verbindlich, dass man denen folgen muss.
Christoph:
[43:47] Ja, das ist auch die Hauptkritik der Teilnehmenden, die ich irgendwie so aus mehreren Podcasts und so kenne. Genau, die einfach keine bindende Funktion haben.
Amanda:
[43:57] Wie gesagt, also diese Experimente, die haben, wurden leider nicht wirklich umgesetzt. Sie wurden aber zum Teil, also es wurde auch abgestimmt über das, über die Vorschläge und da haben sie einfach, also in Kanada waren, ich glaube, bei der ersten Abstimmung haben sie 58 Prozent Zustimmung erreicht. Es hätte aber für die Verfassungsänderung 60, also halt zwei Drittel Mehrheit, glaube ich, benötigt. Deswegen Ja, ja. hat das nicht geklappt. Und in den Niederlanden haben sie es dann einfach wie abgesetzt. Da hat es dann gar nichts gebracht. Und das ist natürlich ein Kritikpunkt, der problematisch ist. Für was soll ich mich für was einsetzen und viel Energie da reinstecken, wenn dann das nicht beachtet wird. Und Rehbrook sagt dann auch, klar, es ist natürlich… Auch ein Problem, dass da sehr wenig Interesse, ich sag mal, von Seite der Politik ist, da was umzusetzen. Die Parteien, das führt zu einem extremen Machtverlust, wenn das tatsächlich ein Prozess ist, der so etabliert werden würde.
Amanda:
[45:06] Auch die Medien haben nicht so viel Interesse dran, weil es einfach schlicht langweilig ist. Es geht halt wirklich mehr um Inhalte als um Personen. Es gibt wohl auch dieses People’s Parliament, eine Sendung von Channel 4, das da vor, ich weiß nicht, 20 Jahren, vor einer gewissen Zeit gemacht, ausgestrahlt wurde. Und das wurde dann nach vier Folgen abgesetzt, weil es war einfach zu langweilig. Die Menschen haben da einfach friedlich miteinander diskutiert und nach Lösungen gesucht. Da gab es wie keinen Streit, der man medial ausschlachten konnte.
Christoph:
[45:40] Wie doof, ja.
Amanda:
[45:42] Ja, schon doof. Und ein weiteres Argument war, weshalb das dann auch im Referendum gescheitert ist, dass tendenziell so komplexe Reformvorschläge eher dem Nein-Lager zugutekommen. Also tendenziell, wenn man es nicht versteht, stimmt man eher dagegen. Und auch, und das finde ich ehrlich gesagt ein bisschen ein schwieriges Argument, aber er sagt, diese BürgerInnen, die dann über dieses Reformpaket der Verfassung, was da erarbeitet worden ist, abgestimmt haben, die waren halt nicht gleich informiert. Also das ist halt wie wenn du, ich sag mal, der Allgemeinheit, was eine Vorlage zur Abstimmung gibst, natürlich riskierst du, dass halt sehr viele Personen sich damit nicht beschäftigt haben und dann so aus dem Bauchgefühl irgendwie abstimmen. Und das, sagt er, steht halt krass im Gegensatz zu den Personen in den Bürgerräten oder BürgerInnenräten, die dann ja halt sehr viele Informationen zur Verfügung hatten. Ich finde das schwierig, weil klar, da kommst du ja nicht umhin, dass Personen, wenn du alle abstimmen lässt, dass sich viele nicht damit beschäftigen wollen, müssen.
Amanda:
[47:02] Gehört in meiner Sicht auch ein bisschen zum Demokratieverständnis dazu, aber ja, kann man natürlich kritisieren.
Amanda:
[47:12] So, jetzt, was er dann vorschlägt, das ist ein Prozess, der auch von einem Forscher von Terrell Boricius, ich hoffe man spricht das so aus, vorgeschlagen wurde. Und das ist so ein bisschen eine Blaupause für eine Demokratie, die auf dem Losverfahren basiert. Und zwar, ich skizziere das jetzt einfach kurz, damit ihr das gehört habt, setzt das aus ziemlich vielen Elementen zusammen, das sind irgendwie sechs Räte und das beginnt mit einem Agenda Council, also mit einem Rat, der dann irgendwie 150 bis ungefähr 400 Leute umfasst, die aus Freiwilligen ausgelost werden. Die sollten auch ein Gehalt erhalten und was die zu tun haben, ist eigentlich einfach Agenda-Setting.
Christoph:
[48:12] Okay, ja.
Amanda:
[48:13] Die haben absolut keine Macht oder Einfluss darauf, wie das dann später ausgestaltet wird, sondern die müssen einfach die Themen setzen, was diskutiert oder was für Gesetze jetzt wichtig sind.
Amanda:
[48:27] Das geht dann weiter, die Ideen gehen dann weiter in ein Interest-Panel, das setzt sich auch aus freiwilligen BewerberInnen aber da zusammen und da kriegt man wohl keine Vergütung, aber man hat eine Deadline. Also man bespricht dann diese Themen in diesem Interest Panel und das sind irgendwie nur zwölf Personen pro Panel, aber es können, egal wie viel, es können uneingeschränkt viele Panels existieren und man bespricht das dann thematisch. Also man kann sich dann, ich glaube, der Gedanke ist ein bisschen, dass jede Person, die mitmachen will, auch die Chance sie dazu erhalten sollte. Und das ist natürlich beim Losverfahren persönlich gegeben. Deswegen auch dieses Interest Panel. Falls ihr jetzt rauschen hört, mein Drucker ist von alleine losgegangen. Tut mir leid.
Amanda:
[49:19] Ja, das dritte Panel ist das Review Panel und dort sagt er, das ist so ein bisschen, ich sag mal, wie ein Politikbereich, dann hat man da ein Review Panel für Mobilität zum Beispiel und da sitzen dann auch irgendwie 150 Personen zusammen, die ebenfalls unter Freiwilligen ausgelost worden sind. Und dann so ein bisschen wie eine Art parlamentarischen Ausschuss die Themen beraten und dann auch weiterarbeiten. Und das, die sind dann als Einzige eigentlich auch wirklich angestellt für drei Jahre, sage ich mal. Und die kriegen auch ein Gehalt und Zuschüsse und so weiter. Und das ist sozusagen, ich sage mal, die verantwortungsvollste Position in diesen Panels eigentlich.
Christoph:
[50:07] Okay, drei Jahre ist dann ja jetzt auch doch ein Zeitraum. Ich fände nämlich alles, was zu kurz ist, man braucht ja Einarbeitungszeit, das ist dann auch wenig witzlos, aber gut, über drei Jahre kann man natürlich schon sich Dinge erarbeiten.
Amanda:
[50:20] Genau, und das Argument ist auch so ein bisschen, warum das so konstruiert wurde, weil man da vielen Punkten ein bisschen entgegenwirken möchte. Also man sagt, genau, wenn es zu kurz ist, dann hat man auch nicht so einen guten Output, deswegen muss man gewisse Strukturen so gestalten, dass sie längerfristig halt Möglichkeiten haben, also dass man die Personen sich da auch einarbeiten können. Gleichzeitig werden auch nicht immer alle ersetzt, nur irgendwie immer pro Jahr 50 Personen, also nur ein Drittel und so weiter, dass man ein bisschen Kontinuität gewährleistet hat.
Amanda:
[50:53] Und am Schluss, also diese Panels arbeiten dann diese Vorschläge aus und am Ende kommen die vor die Policy Jury und das sind dann irgendwie 400 Personen im Plenum, die aus allen erwachsenen BürgerInnen des Landes ausgelost werden. Also das ist anders. Es sind dann nicht freiwillig solche, die sich da zur Verfügung stellen, sondern alle. Und das ist so ein bisschen dann wie im Laiengericht. Die Teilnahme ist da obligatorisch. Man trifft sich aber dann eben vielleicht nur für einen Tag oder so. Man kriegt dann auch Taggeld, man kriegt die Reisekosten erstattet. Und es erfolgt dann eine geheime Abstimmung über diese Themen, die eben vorhin erarbeitet worden sind. Und er sagt halt eben, viele Dinge können so ein bisschen, ja, vielleicht umschifft werden, der Probleme, also beispielsweise ist so, man ist halt nicht an eine Parteidisziplin gebunden, die Personen können in geheimer Wahl abstimmen, es gibt keinen Gruppenzwang, es gibt auch kein taktisches Abstimmungsverhalten.
Amanda:
[52:07] Und gleichzeitig eben hat man durch diese vielen Panels hat man einerseits eine repräsentative Stichprobe, aber man hat eben auch die Möglichkeit, wenn man will, sich da zu bewerben und mitzumachen und ohne, dass man sozusagen eine Überrepräsentation hat von Personen, die sich halt selbst zur Verfügung stellen. Das ist natürlich auch ein Problem, dass man Weil dann natürlich nur wieder, ja, Menschen hat typischerweise oder bis anhin halt Männer im mittleren Alter gut ausgebildet. Und das führt dann natürlich nicht zu einer adäquaten Repräsentation.
Amanda:
[52:49] Und auch, dass Individuen eigentlich nicht zu viel Macht zugesprochen werden können. Das könnte ja auch in der Gruppe passieren, dass jemand sehr redegewandt ist und dass da die Macht auch dann wieder beschränkt wird, ohne dass es dann da irgendwie zu arbiträren Ergebnissen kommen könnte, weil eine ausgeloste Person jetzt irgendwie ganz besonders charismatisch irgendwie sich da die Meinung an sich reißen könnte.
Amanda:
[53:18] Ja, das ist so das Modell. Es gibt dann noch so zwei Institutionen oder zwei Panels, die den ganzen Prozess überschauen, irgendwie ein Oversight Panel und noch eines. Und ja, das Ganze soll auch so ein bisschen evolutiv sein. Also die Prozesse sind eigentlich nicht festgesetzt, die können sich auch wandeln. Mit der einen Ausnahme, dass dieses Oversight-Panel sich nicht selber mehr macht, zu sprechen. Damit es natürlich nicht kippt. Aber wie das dann konkret ausgestaltet ist, das soll auch im Fluss sein. Und dieses System kann wohl auch schrittweise angeführt werden. Man könnte das mal aufsetzen, um einen Gesetzesartikel zu reformieren. Beispielsweise oder halt irgendwie im ganzen Politikbereich und so weiter also es wurde natürlich noch nie ganz eingeführt so im kompletten System, aber diese Beispiele in Kanada und Island und Irland haben schon so gewisse Ansätze davon eigentlich gezeigt also
Christoph:
[54:22] So ein sukzessives umsetzen können, finde ich erstmal sehr gut, glaube ich also ja dass man nicht hopp oder top ob das für immer und in Gänze entscheiden muss, das finde ich sehr sympathisch.
Amanda:
[54:36] Ja. Ja, er endet dann das Buch eigentlich mit diesem Vorschlag und mit diesem Appell für mehr Bürgerbeteiligung, eben dieses bierepräsentative System, so nennt er das, wo sowohl Wahlen, aber eben auch das Losverfahren relevant ist. Und er sagt dann, die Hauptkritik ist auch heute eigentlich immer noch so, ja, die BürgerInnen können das nicht. Und er meint dann, und zu Recht, das ist das gleiche Argument, was früher gegen die Ausweitung des Wahlrechts für Frauen angeführt worden ist. Wenn wir Frauen dann hier zulassen, dann bricht das System zusammen. Das ist natürlich Quatsch.
Amanda:
[55:21] Und deswegen, man muss den BürgerInnen schon auch so ein bisschen Verantwortung zugestehen können. Gleichzeitig sagt er auch und auch das finde ich sehr zu Recht, PolitikerInnen, die können ja auch einfach ihr Ressort wechseln. Also es ist ja nicht so, dass da immer die kompetentesten Personen für einen Politikbereich gewählt werden, sondern die haben natürlich sehr viel Unterstützung. Die haben einen Stab unter sich, der ihnen dabei hilft, da auch Entscheidungen zu treffen und das soll auch in diesem Verfahren so stattfinden können. Gleichzeitig, indem man keine Parteien, keine Kampagnen, keine Medienauftritte hat. Hat man schlicht ein bisschen mehr Zeit, sich auf die tatsächliche Arbeit zu fokussieren. Also dieses ganze, diese ganze Rummel fällt weg.
Amanda:
[56:15] Und eben die bisherigen Experimente oder auch Line-Juries in Gerichten zeigen eigentlich, dass die Personen es sehr, sehr ernst nehmen und dass da sehr gute Ergebnisse auch bei rauskommen.
Amanda:
[56:30] Idioten an die Macht, ja, aber nicht als Alleinherrscher, das ist so das Fazit. Sehr schön. Ja, ich finde, ich gehe da in vielen Teilen mit, aber ich sehe insbesondere da ein Problem auch mit dieser Interessenartikulierung. Also Parteien haben ja da schon auch sehr eine wichtige Funktion, dass sie das ermöglichen, dass sie eben Themen setzen können. Und ich weiß nicht, wie man da davon wegkommt oder wer das dann sonst übernehmen sollte. Und auch ein bisschen, also ich finde, es geht dann schon sehr viel Macht auch an diese Expertinnen. Also wenn du jetzt die BürgerInnen informieren musst, du musst denen auch irgendwie Dokumente zur Verfügung stellen, wie sie sich da über den Sachverhalt informieren und wie man das macht, ist natürlich auch, also da kann man sehr, sehr viel Macht ausüben. Also wenn du da selektiv bist, dann ist auch sehr klar, was bei rauskommt. Da geht er nicht drauf ein im Buch.
Christoph:
[57:35] Okay.
Christoph:
[57:41] Das hört sich ein wenig an, als wärst du zum Ende gekommen. Ist das richtig?
Amanda:
[57:46] Ja, ist so.
Christoph:
[57:47] Alles klar. Dann bedanke ich mich erst einmal bei dir und ich habe ein paar Folgen, auf die ich hinweisen möchte. Ich glaube, ins Auge, gerade aus den letzten Folgen, springt Demokratie ohne Gesetze. von C.L. Skach, ich weiß nicht. Genau, aber da geht es auf jeden Fall darum, dass Demokratie eben davon lebt, dass es mehr braucht als Gesetze und vor allen Dingen aktive BürgerInnen. Ich finde so zum Thema Menschenbild, was ja dann auch irgendwie dahinter steht, passt auch im Grunde gut von Rutger Brechmann. Dann habe ich mir noch aufgeschrieben, Anfänge von David Graeber und David Wangrow, das ist Volker 38, einfach weil die historische Perspektive ich spannend fand, die jetzt in dem Buch am Anfang hier gerade vorkam.
Christoph:
[58:41] Folge 65, Baustellen der Nation. Ich meine, das ist eine sehr deutsche Perspektive, aber so die ganze Frage des Umgangs mit Gesellschaft finde ich irgendwie relevant und was gibt es denn eigentlich, woran wir arbeiten können oder müssen. Ja und ich glaube, dabei würde ich es erst einmal belassen, was so die Folgen angeht. Dann, ich hatte ja schon angesprochen, dass ich irgendwie meine Podcast-Folge oder mehrere zum Thema Bürgerräte gehört habe und mindestens eine fand ich ganz gut und ich probiere, die wiederzufinden. Es war irgendwas Öffentlich-Rechtliches, meine ich. Ich probiere mal, das zu verlinken. Und dann hat Luhmann nach irgendeiner Bundestagswahl in den 80ern einen Aufsatz in der FAZ geschrieben, hat das Volk gewählt oder hat es gewürfelt und da setzt er sich damit auseinander, wie aussagekräftig Wahlen eigentlich sind, wenn die gewinnenden Parteien nur wenige Prozentpunkte trennen und das ist ja was, was wir gerade in den USA immer wieder erleben. Also wie ist es zu rechtfertigen, dass man bei knappen Wahlsiegen so viel macht, nur der einen Seite zuteilt im Prinzip und ich weiß nicht, ob ich den FAZ-Artikel irgendwo verlinkt finde, ansonsten ist es auf jeden Fall abgedruckt in dem Band Shortcuts zu Niklas Nuhmann, also es ist der erste Band aus der Reihe im 2001 Verlag.
Christoph:
[1:00:05] Und um ein bisschen Staatstheorie reinzubringen, das Buch Steuerungstheorie von Helmut Wilke, auch ein Systemtheoretiker, der sich in dem Buch mit der Frage auseinandersetzt, warum so viele Steuerungsideen für moderne Staaten eigentlich so grandios scheitern und gescheitert sind und wie es vielleicht anders gehen könnte. Also genau, da geht es dann natürlich viel darum, dass wir es eben mit einer funktionalen Differenzierung der Gesellschaft haben, mit Systemen, die eigenen Logiken folgen und sich nur schwer von außen rein regieren lassen. Genau, und das wären die Bücher oder Texte und vielleicht die eine Podcast-Folge, auf die ich verweisen wollen würde. Was hast du noch zu ergänzen?
Amanda:
[1:00:46] Perfekt, vielen Dank. Ich habe auch ein paar von den Folgen aufgeschrieben, die du bereits genannt hast. Ich hätte noch Werte der wenigen, das ist Folge 55, wo es um die Eliten geht. Das ist auch ein Buch, finde ich, kann man sehr gut lesen, weil das aus verschiedenen Essays zum Thema besteht. Und vom Ende des Gemeinwohls von, das ist Folge 39 von Michael Sandel, wo es auch um diese Meritokratie geht, die eben auch jetzt hier im Buch erwähnt worden ist. Das hätte ich noch so als Tipp von Folgen, als Buchtipp hätte ich das Buch Crazy Rich von Julia Friedrichs.
Christoph:
[1:01:26] Oh ja.
Amanda:
[1:01:27] Hast du es gelesen?
Christoph:
[1:01:28] Nee, aber ich habe es in einem Podcast besprochen gehört, ja.
Amanda:
[1:01:32] Ja, den habe ich auch gehört. Ich habe das Buch auch gelesen und weshalb ich es hier erwähne, ist, es gibt ein Kapitel über eine österreichische Millionärin, eine Erbin, die auch so eine Art, ich sage mal Bürgerrat zusammensetzt, wo sie eigentlich einfach Geld zur Verfügung stellt und dann Personen ausgelost hat, mehr oder weniger, die darüber diskutieren sollen, wie dieses Geld eingesetzt wird. Und ich fand das ganz schön beschrieben, weil man hört auch, was die Personen dazu sagen oder welche Kritikpunkte dann auch an diesem Prozess aufgeworfen werden und ich glaube am Ende ist dann das Geld wirklich an ganz verschiedenen Institutionen, irgendwie an eine Feuerwehr und so weiter gegangen. Also sehr interessant, was dabei rausgekommen ist und ich fand es einfach interessant beschrieben, wie das zustande kommt und natürlich auch dann die Analogie zu diesem Losverfahren und Politikverfahren, das wir jetzt heute besprochen haben.
Christoph:
[1:02:29] Ja, that’s it. Okay, vielen Dank. Ich möchte noch verweisen auf unsere beiden Social-Media-Kanäle, die wir bespielen. Das ist einmal Mastodon unter atzzd.podcast.social und dann haben wir noch Blue Sky und da heißen wir atdeckeln, genau, also wie das letzte Wort des Podcasts. Und wenn ihr Lust habt, uns tolle Reviews zu hinterlassen, freuen wir uns natürlich, empfehlt uns auch gerne weiter und ansonsten hören wir uns in drei Wochen, also ihr hört uns in drei Wochen wieder, ich weiß aber nicht, doch ich bin auf jeden Fall in der Folge dabei, ich weiß nicht, ob Amanda dabei sein wird, aber der Podcast erscheint in drei Wochen. Bis dahin, macht’s gut.
Music:
[1:03:11] Music
Quellen und so
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
Zwischen zwei Deckeln findest du auch im sozialen Medium deiner Wahl: Mastodon und Bluesky.
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