Schlagwort: Gesellschaft und (Post-)Moderne

3. Oktober 2024 /

In seinem Buch „Die Unterwerfung“ zeichnet Phillipp Blom die Geschichte der Idee nach, dass es die zentrale Aufgabe des Menschen sei, sich die Welt zu unterwerfen. Die Grundlagen dieses Narrativs sieht Blom in der Entstehung der abrahamitischen Religionen, von wo aus es beosonders über das Christentum, die Aufklärung, die wissenschaftliche Revolution in den gegenwärtigen Kapitalismus getragen wurde. Eine zentrale Rolle spielten dabei die Denker, die heutzutage als philosophischer Kanon gelten und die es schafften, die neuen Ideen zu integrieren und nutzbar zu machen, ohne gleichzeitig die grundlegende Überlegenheit der Menschen über die Natur infrage zu stellen.

19. September 2024 /

Ronen Steinke stellt in seinem Buch „Verfassungsschutz“ den deutschen Inlandsgeheimdienst vor und erläutert, was ihn besonders und auch problematisch macht. Er hinterfragt, wie der Verfassungsschutz arbeitet und sogar, ob er in seiner jetzigen Form weiterbestehen sollte.

29. August 2024 /

„Der Allesfresser“ von Nancy Fraser untersucht die zerstörerischen Auswirkungen des Kapitalismus auf Gesellschaft, Umwelt und Demokratie. Den Kapitalismus charakterisiert Fraser als allesfressendes, umfassendes Gesellschaftssystem, welches seine eigenen Grundlagen und Funktionsbedingungen verschlingt. Als marxistisch orientierte Kapitalismuskritik analysiert das Buch diese Probleme nicht nur in Bezug auf die Sphäre der Arbeit und Produktion, sondern betont die Wichtigkeit von Grenzkämpfen zwischen anderen Sphären wie Reproduktion, Care-Arbeit, Ökologie und Politik. Zur Überwindung des Systems fordert sie eine radikale Neuausrichtung hin zu einem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts”.

8. August 2024 /

In “Der Code des Kapitals” geht Katharina Pistor der Frage nach, wie Recht und Kapitalismus zusammenhängen. Dass letzterer nicht ohne ersteres kann, wurde bisher nicht umfangreich reflektiert. Kernpunkt bei der Herstellung von Kapital ist es, bisherige wirtschaftliche Güter mit besonderen rechtlichen Privilegien auszustatten. Das passiert nicht in formal-demokratischen Prozessen, sondern hoch spezialisierte Kanzleien produzieren diese neuen Kapitalsorten durch die Entwicklung neuer Rechtsformen.

14. März 2024 /

„Systemsturz“ von Kohei Saito versucht, die Degrowth-Bewegung vom Kapitalismus loszulösen, da Wirtschaftswachstum und Technologieentwicklung nicht ausreichen, um die Klimakrise zu bewältigen. Saito entwickelt ein kommunistisches Alternativmodell basierend auf einer neuen Lesart von Marx‘ „Kapital“ und seinen späteren Notizen. Dieser Degrowth-Kommunismus basiert auf einer Wiederherstellung der Commons, also gemeinschaftlich verwalteter Produktionsmitteln, und betont die Wichtigkeit der demokratischen Verwaltung dieser Ressourcen als auch einer Entschleunigung des Produktionsprozesses. Saito sieht darin der einzige Weg, dass die globale Gesellschaft in Zukunft nachhaltig und würdevoll arbeiten und leben kann.

22. Februar 2024 /

In „Alle_Zeit: Eine Frage von Macht und Freiheit“ von Teresa Bücker zeichnet die Autorin das Bild einer Gesellschaft, die mit ihrem eigenem Zeitumgang in Überforderungsstrukturen läuft. Einerseits sind Menschen auf persönlicher Ebene der Autorin folgend durch ihre starke Fokussierung auf Erwerbsarbeit nicht in der Lage sich frei zu entfalten. Andererseits kommen durch diese Struktur insbesondere Frauen zu kurz und an Grenzen der Belastbarkeit, weil Care-Arbeit immer noch primär in ihre Verantwortung gelegt wird. In Kombination mit dem Verblassen des Alleinernährermodells bekommen Kinder nicht die Zeitaufwendungen, die ihnen zustehen und ihr Aufwachsen in Familien wird zunehmend prekär. Zusammengenommen leidet darunter auch die Zivilgesellschaft, die nicht verlässlich darauf bauen kann, dass Menschen ihre Ressourcen in Form von Zeit und Kraft ausreichend einbringen können. Durch all diese Probleme ziehen sich nur Geschlechterungleichheiten, sondern auch ökonomische Verteilungsfragen: Nur, wer ökonomisch wohlhabend ist, kann sich auch Zeitstrukturen der Teilhabe ermöglichen.

11. Januar 2024 /

Im Buch „Auf leisen Sohlen ins Gehirn“ erläutert George Lakoff im Gespräch mit Elisabeth Wehling die Grundzüge seiner Metapherntheorie und deren Folgen auf die politische Meinungsbildung. Wir können nämlich gar nicht anders, als in Metaphern zu denken. Das kann und wird ausgenutzt. Wir erfahren, warum Steuererleichterung kein neutrales Wort ist, und was die Tatsache, dass wir unser Kind in der Nacht trösten, wenn es weint, mit unserer politischen Einstellung zu tun hat.

9. November 2023 /

Im Buch „Baustellen der Nation“ von Philip Banse und Ulf Buermeyer werden vielfältige Herausforderungen in Deutschland thematisiert. Eines der Hauptprobleme betrifft die marode Infrastruktur, einschließlich Brücken, Straßen, Schienen und Datennetzen, die auf jahrzehntelange Vernachlässigung zurückzuführen ist und zu erheblichen Schulden von mindestens 457 Milliarden Euro geführt hat. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Digitalisierung, bei der Deutschland im internationalen Vergleich hinterherhinkt. Es werden Probleme wie das Onlinezugangsgesetz und die Notwendigkeit einer einheitlichen IT-Struktur behandelt. Das Rentensystem in Deutschland wird aufgegriffen, einschließlich der Herausforderungen des Umlageverfahrens und der Notwendigkeit von Reformen. Föderalismusreformen und der Einfluss des Bundesrats werden als politische Themen beleuchtet. Schließlich wird die Bekämpfung von Rassismus diskutiert.

28. September 2023 /

Das Buch „Epistemische Ungerechtigkeit“ von Miranda Fricker handelt von den unterschiedlichen Arten, wie wir – als sozial situierte Menschen – uns gegenseitig Wissen vermitteln, und welche Ungerechtigkeiten damit einhergehen können. Der erste ihrer zwei zentralen Begriffe ist die Zeugnisungerechtigkeit, die immer dann auftritt, wenn man jemandem nicht glaubt, weil man gegenüber dieser Person ein identitätsbezogenes Vorurteil hegt. Mit hermeneutischer Ungerechtigkeit beschreibt Fricker die Ungerechtigkeit, die dazu führt, dass eine Person ihre soziale Umwelt nicht adäquat beschreiben und deuten kann, weil ihr die kollektiv geteilten Begriffe dazu fehlen.

17. August 2023 /

In ihrem Buch „Die gespaltene Gesellschaft“ untersuchen Jürgen Kaube und André Kieserling die Vorstellung einer gespaltenen Gesellschaft anhand verschiedenster Themen. Die Autoren argumentieren, dass die Behauptung einer tiefen Spaltung der Gesellschaft oft übertrieben ist, da Menschen in verschiedenen sozialen Rollen miteinander interagieren müssen. Diese Verflechtungen führen dazu, dass es schwerfällt, andere komplett abzulehnen und jede Kooperation mit ihnen einzustellen. Die Autoren betonen, dass es kaum gesellschaftlich homogene Großblöcke gibt, die starr gegeneinander stehen, sondern dass es oft eher randalierende Minderheiten gibt, die bestimmte Themen für ihren Widerstand nutzen.
Insbesondere vor dem Hintergrund tatsächlich gespaltener Gesellschaften wie der Nordirlands oder Ruandas während des Genozids in den 1990er Jahren mahnen die Autoren etwas Zurückhaltung im Umgang mit schnell gefällten Spaltungsdiagnosen an.