038 – Anfänge von David Graeber und David Wengrow

Es ist eine Sache, sich abstrakte Gedanken über die Analyse von Komplexität zu machen, aber eine ganz andere, einen wirklich komplexen Prozess durchdringen zu wollen. Und die Geschichte der Menschheit ist ein solch komplexer Prozess – erst recht, wenn man geschichtliche „Fakten“ mit dem Schlussfolgerungen, die man aus diesen „Fakten“ zieht in Verbindung setzt. Und das ist unser Thema in dieser Episode:

In ihrem Buch Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit nehmen David Graeber und David Wengrow das klassische große Entwicklungsnarrativ der Menschheit auseinander: von den vorgeschichtlichen wilden Stämmen durch Landwirtschaft zum zivilisatorisch geordneten Verwaltungswesen. Sie verbinden dies mit einer gehörigen Portion ideengeschichtlicher Kritik und betonen die Relevanz nicht-westlicher Denker*innen für das, was wir heute “westliche” Werte nennen.

Shownotes

Mehr Literatur

Quellen und so

Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).

Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.

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Ein Kommentar

  1. 2. Juni 2022
    Antworten

    Tach allerseits.
    Ihr seid zwar in rezensionaler Progression schon weiter vorangeschritten, wollte zu dieser Folge dennoch einen Kommentar hinterlassen.
    Sehr interessant und bestens bereichernd, dass du Nils dir erneut deinen Graeber vorgenommen hast. Hatte hierzu nämlich – bis dahin alleinig – das SWR2-Forum gehört, das sich dem Werk und seinen umdrehenden Inhalten diskutabel widmet: „Wie modern war die Steinzeit? Eine neue Sicht auf die Menschheit“
    https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/wie-modern-war-die-steinzeit-eine-neue-sicht-auf-die-menschheit-100.html

    Das ist bemerkenswert, dass über ein A) SACH-Buch und B) so top aktuell diskutiert wird. Üblich sind Verweise auf alterlesene Lektüren wie Der Name der Rose (40-jähriges Jubiläum)
    https://www.swr.de/swr2/literatur/klosterkrimi-und-weltliteratur-40-jahre-der-name-der-rose-100.html
    oder zu 100 Jahre Ulysses
    https://www.swr.de/swr2/literatur/welterfolg-aus-dublin-der-ulysses-von-james-joyce-wird-100-100.html
    Auch als Hörspiel
    https://www.swr.de/swr2/hoerspiel/playlist-ulysses-100.html
    oder Autoren wie E. T. Hoffmann
    https://www.swr.de/swr2/literatur/meister-des-unheimlichen-was-bleibt-von-eta-hoffmann-100.html
    Novalis
    https://www.swr.de/swr2/literatur/novalis-und-die-blaue-blume-wie-verfuehrerisch-ist-die-romantik-100.html
    oder akademische Autoren wie karl jaspers
    https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/der-verkannte-jahrhundert-philosoph-was-bleibt-von-karl-jaspers-100.html
    usw. usf.

    Mit hiesiger Rezension erschließt sich die SWR2-Forumsdiskussion auch besser.

    Habe einen seitenverweisenden Lektüretipp, angepiekst durch deine sinngemäße Formulierung, die historische Betrachtung sei zu (groß)städtezentriert, nur hier – so das Narrativ – sich alles Wesentliche ausgebildet und ausgeformt hätte, worauf die (zivilisierte) Menschheit fuße. Das kritisch unter die Lupe nehmend: James Scott – Die Mühlen der Zivilisation
    https://www.socialnet.de/rezensionen/26099.php
    „Mühlen“-Metapher in der Übersetzung evtl. nicht die allerbeste, geht es JS darum, das zivilisatorische Gewordensein weit jenseits von Städten zu grundieren.
    – Menschheit (Homo sapiens) etwa 200.000 Jahre alt (eher älter – „Ono 1“: https://science.orf.at/stories/3210858/),
    – Neolithisierung vor frühestens 12.000 Jahren (je nach Region auch bedeutend später erst), was round about 5% der Gesamtzeitspanne entspricht, wo „Sesshaftigkeit first“ gegolten hat,
    – nennenswerte Verstädterungen jenseits einzelner Zentren (wie bspw. Babylon, Athen, Rom) setzt JS etwa vor rund 2.000 Jahren an, was wohlwollend 2% der Menschheitsgeschichte entspricht,
    – das „fossile Zeitalter“ währt disruptiv seit 200 Jahren =0,1% sapienten Daseins als letzte Stufe der Dummheit;-)
    https://www.deutschlandfunk.de/toleranz-der-falsche-weg-ueber-dummheit-heidi-kastner-im-gespraech-dlf-76b0a19f-100.html
    So gewendet, ist es mehr als bloß kurzsichtig, so ziemlich alles auf die Urbanisierung zu verkürzen und weitgehend eindimensional von hieraus die Welt zu begreifen. An den städtischen Fundamenten wird also von vielerlei Perspektive aus gerüttelt – JS ist hauptberuflich Politologe. Mehr „Indigenialität“ wagen!
    Wenn es nur die Stadtzentrierung wäre, die es eurozentrisch sein und noch bleiben lässt: „Koloniale Strukturen: Warum ist die westliche Denkweise so dominant?“
    https://feedpress.me/link/22779/15273433/ach-mensch-ralf-michaels-ueber-koloniale-strukturen-im-recht

    Wobei den einen Eurozentrismus gibt es wiederum m.E. auch nicht. Eurozentrismen, wo jeweils unfassbar viel nicht erst außerhalb Europas runterfällt und aus der Perspektive gerät. Frei nach Luhmann: auf der „bezeichneten Seite“ der Beobachtung steht bisher i.a.R. der nationalstaatliche Containerblick, auf den die große narration hinstrebt, selbst wenn sie ausdrücklich nicht nationalistisch gefärbt ist. Die übrigen europäischen Länder geraten, je gegenwärtiger es wird, dann stetig mehr auf die „abgeschattete Seite“ der Beobachtung, waren mal wichtig und hinführend oder sind jetzt daneben nur noch zugegen. Griechenland, Hort europäischer Hochkultur – aber nur, bis die Römer kamen, freimütig plagiierten und seither…? Italien hatte dann immerhin noch die Renaissance, als es nochmal „auferstand“ nach 1.000 Jahren röm. Reich. Spanien kommt so richtig erst als Imperium auf und in den Blick (kolumbisches Kielwasser) usw. Alle mal mit Auftritt, um dann abzudanken und als Gefreite der Geschichte zackig abzutreten. Na aja und die „blinden Flecke“ der Beobachtung ist zumeist der ganze Rest. Afrika demnach bloß „Wiege der Menschheit“, der man zivilisiert und hochkulturell längst erwachsen entstiegen ist. Und China? Ach China – doch selbst Schuld, wenn sie trotz größter je aufgebrochener Flotte und Seidenstraße
    https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-neugier-genuegt-redezeit/audio-wirtschaftsweg-seidenstrasse–thomas-o-hoellmann-100.html
    nie aus den Puschen gekommen und ihren Zentrumskräften des Reiches der Mitte selbsterlegen sind. Zugespitzt formuliert. (Teil II in Charles C. Mann: „Kolumbus‘ Erbe“!!!)

    Will nur gesagt haben: selbst der die Welt verkümmernde Eurozentrismus ist seiner Verkümmerungsinhärenz erlegen und nimmt eigentlich nie Europa in Gänze wahr und ernst, sondern vollzieht nach Bedarf ein eigentümliches Draft-Picking. Dumm nur (s.o.), dass man sich trotz dieser Nabelschau am Ende auch nicht zu sicher sicher ist, was es nun mit diesem „Westen“, also sich selbst auf sich hat
    https://www.swr.de/swr2/wissen/ist-der-westen-am-ende-swr2-wissen-aula-2022-02-13-100.html
    Dazu hätte es dann doch wenigstens reichen müssen…

    Gegrüßt und sorry für die linkische Assoziationskaskade

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