Es scheint so, als hätten wir gerade einen kleinen Digitalisierungs-Run. Nachdem Christoph in den letzten Monaten schon Roboterethik von Janina Loh und Hello World von Hannah Fry vorgestellt hat, widmet sich Nils heute der gesellschaftstheoretischen Seite der Digitalisierung mit dem Buch Muster von Armin Nassehi.
Darin zeigt der Autor auf, warum Digitalisierung nicht einfach nur ein weiteres Phänomen in der Gesellschaft ist, sondern an deren Grundstruktur ansetzt. Für ihn steht dabei im Mittelpunkt, dass die Analyse großer Datenmengen in der Lage ist, latente soziale Strukturen sichtbar zu machen und damit Gesellschaft im Grunde erst zu entdecken. Außerdem zeigt er, dass diese Datenmengen nicht die “reale” Welt beschreiben, sondern eine eigenständige Verdopplung erzeugen, die in der Lage ist, nahezu unendliche Komplexität zu verarbeiten – allerdings nicht ohne Nebenwirkungen.
Shownotes
Informationelle Selbstbestimmung
Chris Anderson: The End of Theory
Alexander Graf: Plattformökonomie bedeutet den Zugang zum Kunden zu verkaufen
Mehr Lesestoff
Im Rausch der Jahre von Walburga Hülk
Zeit der Zauberer von Wolfram Eilenberger
Schriften zur Pädagogik von Niklas Luhmann
Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt von Haruki Murakami
Die Granulare Gesellschaft von Christoph Kucklick (Blogpost von Nils)
Unsichtbare Frauen von Caroline Criado-Perez
Wie weiter mit Niklas Luhmann? von Armin Nassehi
Das Café der Existenzialisten von Sarah Bakewell
Warum haben Sie keinen Fernseher, Herr Luhmann? hrsg. von Wolfgang Hagen
Politik. Schriften zur Politischen Ökonomie 2 von Pierre Bourdieu
Zwischen zwei Deckeln: Hello World Von Hannah Fry
Zwischen zwei Deckeln: Roboterethik von Janina Loh
Zwischen zwei Deckeln: Das metrische Wir von Steffen Mau
Zwischen zwei Deckeln: Objektivität von Lorraine Daston & Peter Gallison
Podcast: Land of the Giants
Podcast: Prof. Ada Palmer on Pandemics, Progress, History, Teleology and the Singularity (Teil 1), Ada Palmer on Viking Ethics, Laws of History, Partial Victories, and Terra Ignota (Teil 2)
Radiofeature: Das Geld der anderen. Ein Einkommensexperiment (DLF Feature)
Quellen und so
- Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
- Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcast kommt hingegen von hoerspielbox.de.
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Hi ihr beiden,
vielen Dank für euren Podcast und die Folge »018 – “Muster” von Armin Nassehi« auf die ich Bezug nehme. Nils führte aus, dass Nassehi (und er selbst) dieses Grundrecht für Unsinn halte, weil die Bedeutung von Informationen bei der Empfängerin läge und sich der Sinn und Wert auch nur durch diese bestimmt werde.
Diese Einschätzung halte ich für falsch, weil das BVerfG, als es das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung mit dem sogenannten Volkszählungsurteils von 1983 schuf (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1983/12/rs19831215_1bvr020983.html), schon vorausblickend den folgenden ersten Leitsatz formulierte:
“Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des GG Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit GG Art 1 Abs. 1 umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.”
Dabei möchte ich das Wort “unbegrenzt” betonen und die Tatsache, dass es ja nicht nur um die Preisgabe, sondern eben auch um die Verwendung geht. Ich verstehe das so: Selbst wenn personenbezogene Informationen, beispielsweise im Kontext eines bestimmten Unternehmens, einen gewissen Wert haben könnten, hat jeder Einzelne das Recht über die Umwandlung in einen konkreten Wert zu selbst entscheiden. Es ist doch dann unerheblich, welcher Empfänger der Information welchen Sinn, Wert oder Bedeutung beimisst, wenn er diese nur mit dem Einverständnis des Senders verwerten kann. Ich hoffe es wird verständlich was ich meine. Wie seht ihr das?
Viele Grüße
Martin
Hallo Martin,
danke dir für deinen Kommentar. Rechtlich gesehen ist das natürlich mittlerweile eine relevante Kategorie, aber ich würde Nassehi aus zwei Gründen weiterhin zustimmen: Das Zitat aus dem Leitsatz spricht nicht ohne Grund von “Daten”, nicht von “Informationen”. Das ist ein gewaltiger Unterschied – einfach gesagt Informationen = Daten + Bedeutung. Dann ist der Begriff “informationelle Selbstbestimmung” schlecht gewählt, weil es eigentlich um Daten geht und eben nicht um Informationen.
Und zweitens ist das im Grunde absolut nichts Neues: Wenn ich mit abgerissenen Klamotten ein Nobel-Lokal betrete, kann ich das Lokal auch nicht verpflichten, das Datum “abgeranzte Klamotten” bitte zu ignorieren und es nicht in einen Wert (= “den lassen wir nicht rein”) umzusetzen. Den Wechsel von Privatheit 1.0 zu Privatheit 2.0 beschreibt Nassehi auch ein wenig ausführlicher, was ich jetzt hier leider nicht komplett ausführen kann.